Ein ehrenwerter Mann
Texte von Scholz, Hauß , Gockel über Herrn Epplers Eppeleien.

Eine Huldigung an den großen Sozialstrategen anläßlich seiner bewegenden Worte in der taz, die ausgerechnet am 1.April 2004 in die Gemeinde und demzufolge in die Herzen und unter die Fußnägel seiner Jünger drangen: 

Eppler
 

Herr Eppler ist ein ehrenwerter Mann.
Längst ohne Amt und Mandat, scheut er keine Mühe, seiner Partei in kritischen Situationen zur Seite zu stehen. Im Aussehen dem Verkünder der Bergpredigt immer ähnlicher, emselt er häufig durch die Hauptstadt, trotz des beschwerlichen Weges aus der pietistischen Südwest-Heimat. Was treibt ihn um, ist man geneigt zu fragen. Muss er immer noch, nach zwanzig Jahren, die Niederlagen gegen Helmut Schmidt kompensieren? Ist er vom Gründer der sozialdemokratischen Wählerinitiative, Günter Grass, bei Luchterhand denn nicht ausgiebig genug gewürdigt worden? Tut die Verachtung durch Herbert Wehner immer noch weh? Traut er der intellektuellen Strahlkraft eines Benneter, Münte und Gabriel nicht mehr?

Ich weiß es nicht. 
Aber ich weiß etwas anderes.
Immer dann, wenn die ehemalige Arbeiterpartei in einer historischen Situation – und ich gebrauche das Wort jetzt in seiner deflationierten Bedeutung – gefordert war, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, hat sie versagt. Bei der Bewilligung der Kriegskredite 1914, bei der versäumten Entmachtung von Junkern und kriegsgewinnlerndem Großkapital 1918/19, am Ende der Weimarer Republik, am 24. März 1999, bei der begonnenen Knebelung von Einkommensschwachen, sozial Bedürftigen, des Mittelstandes, des Handwerks und der kleinen, mittleren und arbeitsintensiven Unternehmen durch die Enkel der Kriegsgewinnler von dunnemals mit Hilfe der Agenda 1815.

Bei zwei dieser historischen Weichenstellungen gab und gibt der kleine Mann mit den schmalen Schultern den zerrissenen Moderator, herzzerreißend, und den Propheten.
 Beim Sonderparteitag am 12. April 1999, mitten im Jugoslawienkrieg, auf großer Bühne, vor den Kameras der Nation, ist er bis in die Körpersprache hinein der leibhaftige Sündenfall: 

Was wir auch tun, den Krieg fortsetzen oder aussteigen, wir versündigen uns allemal. Da hatte er -  im Prinzip -  die Kirche auf seiner Seite und als letzter Redner dann auch den Parteitag. Denn die kleinen Genossen unten im Parkett wussten nicht, dass es weder ethnische Säuberungen oder Völkermord im Kosovo gab, als die NATO mit Hilfe der deutschen Luftwaffe drei Wochen zuvor loslegte. Sie kannten natürlich auch die Lagebeurteilung des Amtes für Nachrichtenwesen der Bundeswehr vom 22. März 1999 nicht: 

„Tendenzen zu ethnischen Säuberungen im Kosovo sind auch weiterhin nicht zu erkennen“. (Die Kirchen übrigens auch nicht. Sie wollen bis heute mehrheitlich nicht wahrhaben, dass die Zeiten der erlaubten Gutgläubigkeit vorläufig vorbei sind). Und Scharping hat ihnen nicht verraten, dass seine Greueltruppe im Ministerium besser war, als die Propagandisten des Überfalles auf den Sender Gleiwitz 1939. Und mir haben sie nicht geglaubt. Weniger Resonanz fand Eppler mit seinem Eingeständnis – am Ende eines Briefwechsels mit Egon Bahr in dem elitären Intellektuellenblatt „Vorwärts“- dass er mit seiner Fürsprache falsch gelegen hatte. Das war ein halbes Jahr später: mission accomplished, um in der dem Anlass angemessenen Sprache zu bleiben. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Am 1. April musste Eppler wieder ran. In der taz stimmte er ein herzerweichendes Klagelied gegen den Raubtierkapitalismus an. Und, obwohl nicht ordiniert, erteilte er seinen Genossen Absolution für die Grausamkeiten ihrer „Reformen“: Hilflos zappeln sie in den Fängen des Raubtiers, unfähig, auch nur eine einzige Bewegung zu machen, andernfalls droht der erzwungene Selbstmord der Sozialdemokratie, weil das Raubtier zubeißt. Das aber dürfe nicht sein, denn sie würde noch gebraucht. 

Und nun kommt der Prophet: Siehe, es ist Hoffnung, fern am Horizont zwar, aber dennoch. Wenn wir in Deutschland das Niveau der Elfenbeinküste erreicht haben, dann wird der Turbokapitalismus weinend zu Kreuze kriechen und um Almosen betteln. Damit die Menschen bis dahin nicht verzweifeln, sollen sie sich von der SPD die Händchen halten lassen. Deswegen darf sie sich nicht bewegen, im Maul des BDI. Vielleicht dauere es aber gar nicht so lange. Schließlich könne ja der Protest von Brasilien hierher rüberschwappen.

Welch ein Visionär ! Welch ein Dulder ! Welche ein Stratege !
Herr Eppler ist ein ehrenwerter Mann. 

Jochen Scholz: Nach 38 Jahren als Berufsoffizier der Luftwaffe nun außenpolitischer Berater. Die letzten sechs Dienstjahre im Bundesministerium der Verteidigung im Stab des Generalinspekteurs. Davor zwölf Jahre in NATO-Gremien, sechs Jahre in NATO-Stäben.
(c)Jochen Scholz 04. April 2004
Mehr von J.Scholz auf MAI
 

Das Epplersche Gesetz auf MAI (Rezension seiner "Privatisierung der politischen Moral?“ )

und noch mehr "Aporien" von Matthias Gockel
 

  

Essay und Diskurs im Deutschlandfunk, 17.9.06
(derzeit noch nicht transskribiert)

"Was ist heute links?" fragt  Erhard Eppler und deutet schon mit dieser Fragestellung den intellektuellen Stumpfsinn an, den er als Antwort auf die selbstgestellt Frage gibt. Haben sie Probleme, Ihre linke und ihre rechte Hand zu definieren ? Hat sich "heute" daran etwas geändert ? Ach - das meine er nicht, er meine die politische Glaubenshaltung, Weltanschauung ? Ja und ? Ändert es etwas daran, daß er die unzulängliche Gegenwart und Realität an einem abstrakten Begriff mißt, der so wie z.B. Schönheit im Auge des Betrachters liegt ?
Es ist Idealismus. Man muß nicht Philosophie studieren, um das Wesen der Frage zu erkennen: das Ideal, das Bild wird befragt. Als ob man ein Foto, einen van Gogh oder gar ein Picasso- Gemälde danach untersucht, wie sich die dargestellte Landschaft als Baugrundstück eignet, oder ob man die abgebildte Frau lieben könnte. Hochtrabend daher kommender Schwachsinn also, den Marx vor 150 Jahren vom Kopf auf die Füße stellte.
Und deswegen kann es nicht verwundern, daß sich dieser salbungsvolle Vortrag dieses ehrenwerten Mannes zum Ende hin in einen flammenden Appell ergießt, überall auf der Welt Militär hinzuschicken.
 


Erhard Eppler, 77, die Allzweckwaffe der neoliberalen SPD: 
"Für mich ist entscheidend, dass die Gestaltungsmöglichkeiten für Politik durch die Globalisierung der Märkte dramatisch verringert sind. .... Bei Hartz IV lautete einer der Vorwürfe: Warum erhöht ihr nicht den Spitzensteuersatz statt der Einkommensteuer? Die Antwort wäre redlicherweise gewesen, weil das Kapital auswandern kann und die Arbeit nicht. Diese brutale Antwort gibt aber kein Politiker, und so erwartet man Dinge von ihm, der er beim besten Willen nicht leisten kann."
Wir lernen:
a) es gibt Politiker guten Willens.
b) brutale Antworten sind geil, weil sie redlich sind
c) ob sie stimmen - das ist eina andere Frage. Eppler stellt das so dar "Weil das Kapital auswandern kann". Ein Naturgesetz? Wie die Schwerkraft? Wasser fließt nach unten, und Kapital fließt ab ? Das fragt Eppler nicht.

"Man kann natürlich aus der Not der Globalisierung eine Tugend machen, und das ist das, was Frau Merkel probiert. Sie macht zum eigenen Programm, was die Konzerne verlangen. Ob das auf Dauer mehr Zuspruch bekommt, da habe ich meine Zweifel."
Wir lernen:
a) die SPD macht nicht zum Programm was die Konzerne verlangen. 
b) Die SPD nutzt die Spielräume, die das Kapital zugesteht.
c) was 1 Unterschied ist, aber gewaltig. Und auf Dauer "Zuspruch" finden wird.

"Aber er hat nie mit der brutalen Deutlichkeit gesagt, warum wir heute die sozialen Ungleichgewichte haben."
Wir lernen:
schon wieder brutal. Ein geiles Wort, wie "alternativlos". Nicht so langweiligl wie "Grundgesetz", wie "Staatsgewalt" die vom Volk ausgeht. 

"...Deutschland für das 21. Jahrhundert tauglich zu machen. Und das Seltsame ist, das dies gar nicht schwierig wäre."
Wir lernen:
Project for a new German Century. 

"Ich hab mir darüber auch schon Gedanken gemacht, warum so Leute wie ich dann plötzlich auf einem Parteitag auftauchen und Einfluss nehmen können oder müssen.... Ich frage mich, warum haben wir das nötig? Das war früher ja auch nicht so.... Wegen meiner Vergangenheit in der Friedensbewegung hat mein Wort an diesem Punkt besonders gewirkt ."
Wir lernen:
a) Eppler  Hat sich "auch schon Gedanken gemacht" über das Paulus-Saulus-Syndrom.
b) weil Eppler früher diese und jene vernünftigen Worte fand, kann er nun "dem Kanzler helfen" bei jeglichem Dreck.

  (c) Andreas Hauß, Oktober 2005,  medienanalyse-international.de/index1.html
Im übrigen bewundere ich Frau Klarsfeld.