Außer Kontrolle -
wie die Zeitung der deutschen Intellektuellen, das Käseblatt des deutschen Oberstudienrates, zeigt, wo es langgeht in Sachen Folter und Rechtsstaat ...

Zur Methode: normalerweise setzen wir links den O-Ton in seiner echten Reihenfolge ein, rechts den Kommentar dazu. Da Kleine-Brockhoff in seinem Erguß jedoch viel zitiert, referiert und nur in kleinen Wendungen oder in seiner Positionierung zu den Zitaten zum Ausdruck bringt, worum es geht, wäre dieses Vorgehen nicht erhellend. Also reißen wir diesmal den Artikel auseinander und gehen die Gefahr des Vorwurfs ein, "im Zusammenhang" sei das alles ganz anders zu sehen. Dagegen hilft nur eins: selber lesen. Per Suchfunktion lassen sich die Zitate bekanntlich schnell orten. Wir unterstellen Herrn Kleine-Brockhoff nichts, was sich nicht belegen ließe. Links sehen Sie O-Ton pur. Dabei auch ZoD (Zitate ohne Distanzierung oder zumindest Kommentierung seitens des Autors Kleine-Brockhoff, diese als ZoD kenntlich gemacht)) Auch wenn Sie es nicht glauben.

Folter im Irak Worüber die ZEIT also nicht schreibt : über die Überlegungen Schilys, Terrorverdächtige zu töten. Über den Frankfurter Polizeipräsidenten, der Folter in einem Entführungsfall als notwendig ansah, den Vorsitzenden des Deutschen Richterbundes, der ihm beipflichtete. Kein Wort also zur gleichen Geisteshaltung in Deutschland, kein Wort zu einer deutschen Mitverantwortung an diesem Krieg. Man mag sagen, mit Derartigem sei das Thema überspannt - dem halte ich entgegen: wer spricht von der "Wertegemeinschaft" ? Wer von "uneingeschränkter Solidarität"? Die Frage, wie wir dazu stehen und welche Maßnahmen Deutschland ergreift, ist EXAKT das, worauf es ankommt, wenn Völkerrecht und Genfer Konvention geschützt werden müssen. Von Protest über Einbringung des Themas im UN-Sicherheitsrat bis zur Aufhebung der Überfluggenehmigungen (Ramstein) reicht das Spektrum der zu ergreifenden Maßnahmen. Die ZEIT jedoch "berichtet" nur, vorgeblich distanziert.
Außer Kontrolle

Bilder gefolterter Iraker erschüttern Amerikas Glauben an sich selbst. Hat George Bush die Kraft, die zerstörten Werte wieder aufzurichten? 

So klingt es, wenn die eigenen Leute eines der großen Tabus des Westens verletzen.

Darum geht es: um das "erschütterte" Amerika. Um die Kraft Bushs. Um die "Werte".

Verletzt werden nicht Irakis, sondern westliche Tabus.

Umpf. Halthalthalt. Es ging doch um die Folter im Irak. Oder doch nicht?

... Selbstbild der Amerikaner so beschädigt ... 

... Mythos ..., der unser aller Leben überdauern dürfte. Er wird uns verfolgen ... (ZoD)

Im Internet machen sich US-Soldaten Luft.

Schon der Bericht des Pentagon spricht von „systemhaften“ Problemen und einem „Zusammenbruch der Kommandostruktur“.

Eher doch nicht. Herr Kleine- Brockhoff bedauert die USA. Die armen USA. Mit hintergangenen Soldaten. Mit der bedauernswerten Regierung. Alles Geschreibsel rund um die Opfer zielt nur auf eines: die eigentlichen Opfer. Und das sind Bush und Co., Rumsfeld und seine Kommandostruktur.
Er äußert also „Ekel“ und fährt in diesem Moment ein in die Hölle seiner guten Absichten. 

Die Abscheu vereint Kriegsgegner und Kriegsbefürworter. 

Bush hat gute Absichten. 

Auch Kriegsbefürworter haben Abscheu. ("Guter Krieg", aber teils miese Durchführung ...)

Ungezügelt heult die US-Presse auf. „Verbrecher, amerikanische Verbrecher“

Dem Bericht werden die Aufnahmen wegen ihres „äußerst sensiblen Charakters“ nicht beigelegt. Sie finden aber ihren Weg ins Fernsehen.

Wäre sie "gezügelt" - was dann? Was schreibt Herr Kleine-Brockhoff mit diesen Worten?

Was sagt er mit Bildern, die "ihren Weg finden", während das Pentagon versuchte, alles zu "beschweigen"?

Hätte er nur einmal das Wort "leider" verwendet ....

Kopflose Menschenpakete, namenlose Fleischhaufen 

Diese Bilder erzählen von einem Dauer-exzess. Zu sehen sind zu amorphen Bergen aufgeschichtete Körper, die nackten Gliedmaßen ineinander verschlungen. Kapuzen machen die Menschenpakete kopflos und identitätslos. Fleischhaufen, die nichts sein sollen als namenlose Materie. Es sind pornografische Unterdrückungsszenen.

Die Bilder erzählen. Kleine-Brockhoff erzählt. Wie beim Märchen kann sich der Zuhörer gruseln, wenn er mag. Er KANN. Es liegt in seinem Ermessen. 

Worin liegt aber das Entsetzliche bei objektiver Betrachtung? An der Folter oder an der Gesichtslosigkeit? Wie würde Kleine-Brockhoff schreiben, wären Gesichter zu sehen und Namen zu nennen?

Um es noch deutlicher zu sagen: die BILDER, die Szenen sind es - nicht die Taten, nicht das Mitleid - die ihn bewegen und den Leser bewegen sollen. Man beachte die unausgesprochene Affinität zu Auschwitzbildern.

Ein Einzelfall, quasi schon bereinigt.

Doch diese Katzenwäsche stellt die amerikanische Öffentlichkeit nicht zufrieden.

K-B distanziert sich von der Einzelfall-Theorie. Fast ist man geneigt, K-B Willen zur Aufklärung zu unterstellen, doch schon sagt er, worum es geht: um die Zufriedenheit.
Worum es eigentlich geht, hat der demokratische Senator Joseph Biden formuliert: „Ich wünschte mir, jemand würde sagen: ,Wir werden die Sache untersuchen – und wenn die Spur bis ins Pentagon führt.‘“ K-B bereitet uns vor auf das, worum es geht. Sauber soll der Krieg sein und geordnet. Lesen Sie weiter:
Diese Frage stößt ins Herz des Krieges gegen den Terror vor. „Um den Terror zu besiegen, ist Gewalt notwendig, Zwang, Geheimhaltung, Irreführung, vielleicht sogar die Verletzung von Rechten“, schreibt Harvard-Professor Michael Ignatieff im Magazin der New York Times. Und fragt: „Wie können Demokratien zu solchen Mitteln greifen, ohne die Werte zu zerstören, für die sie stehen?“ Die Antwort gibt er selbst. Rechtsverletzungen seien nur gerechtfertigt, um Schlimmeres zu verhüten: „Die Frage ist nicht, ob wir uns auf kleinere Übel einlassen, sondern wie wir sie unter Kontrolle freier Institutionen halten.“ 

...man erreiche so langsam „einen Punkt“, an dem man „keine andere Wahl“ habe, als „Druck auszuüben“

K-B zitiert zwar, aber "ZoD" - ohne jede Distanzierung, Stattdessen mit einer Einleitung "worum es geht" und "diese Frage stößt"

Die ZEIT schiebt einen Harvard- Professor vor, um sich für 

-Gewalt
-Zwang
-Verletzung von Rechten

auszusprechen.

Rechtfertigung:
"Schlimmeres verhüten"

Das ist die Sprache der "humanitären Intervention", das ist Eppler pur (kleineres Übel - das man selbst, nicht etwa die Bombenopfer erleiden). Das ist der "gute Krieg", wenn er denn unter demokratischer Kontrolle geführt wird.

Das Problem ist, dass die regierenden Konservativen so einen Mittelweg ablehnen. Vor allem Justizminister John Ashcroft, schreibt Ignatieff, weigere sich zu glauben, dass „irgendetwas, das der Verteidigung Amerikas dient, von Übel sein kann“. Was ist also das Problem? Daß sich das Pentagon nicht schön mittelwegig kontrollieren läßt. Zwang, Gewalt, Folter und Rechtsbruch wären okay, würden die Kommißköppe sie nur ein wenig legitimieren. 
Amerikas gegenwärtige Regierung steht ganz in der Tradition einer Politik des reinen Herzens. Sie ist, wie die Mehrheit ihrer Landsleute, von der Unschuld der Nation überzeugt.

Ein Gutes hat das ganze Drama:

Amerika ist also ganz anders als Eppler, der uns allen beibrachte, daß man manchmal zwischen zwei Übeln wählen müßte und so den Krieg gegen Jugoslawien auf dem SPD-Parteitag begründete. Amerika ist nicht so hübsch zerrissen, auschwitzgeschwängert und leidend wie wir, nicht so dramabetont, tragikbewußt, seelentief.
„Einige Beamte“ sagten nun, die „traditionellen Menschrechte“ müssten „zurückgestellt werden“, wolle man „Informationen über den 11. September und die Pläne der Terroristen extrahieren“. ZoD
„Dilemma des FBI“.... Zeit, über Folter zu sprechen. In der Rückschau scheinen die gezielten Indiskretionen der Ermittler Hilferufe gewesen zu sein. Sie wollten wissen, welches Mittel den Zweck heiligt im Angesicht der monströsen Verbrechen. ZoD - es ist auch die Frage der ZEIT, welche Mittel den Zweck heiligen. Die ZEIT benutzt den Umweg über die US-Verbrechen, die Folterdebatte wieder aufleben zu lassen.

Sie glauben es noch immer nicht? Lesen Sie weiter:

Tatsächlich beginnt eine öffentliche Debatte ...
Der konstruiert folgenden Fall ...
Es handelt sich um das Szenario der „tickenden Bombe“, ein moralisches Dilemma, über das schon Philosophen wie ...
So idealtypisch wie tragisch ist der Fall ...
Moro wurde schließlich ermordet.
Tragik. Dilemma. Darauf läuft es hinaus. Wir erinnern uns an die vielen unschuldigen Muslime, die in den USA und in Deutschland verhaftet und dann wieder freigelassen wurden. Nach einer für den Folterer gewiß tragischen Folternacht wären die ja nicht mehr unschuldig, sondern hätten schön gestanden.
Drum liebäugelt Dershowitz mit einer Verrechtlichung der Folter. Wie eine Abhörerlaubnis stellt er sich die „Foltervollmacht“ von Richtern vor. Das begrenze und kontrolliere die Gewalt an Häftlingen. ZoD - die Kritik mit der "schiefen Ebene" wird nur referiert.
Die Regierung hat nie mit kräftiger Stimme in diese Diskussion eingegriffen, sondern widersprüchliche Signale ausgesandt.
 die afghanische Luftwaffenbasis Bagram. Einer der zuständigen Beamten hat ein bemerkenswertes Berufsverständnis zu Protokoll gegeben: „Wenn du nicht manchmal die Menschenrechte von jemandem verletzt, machst du deinen Job nicht ordentlich.“ In Bagram hat irgendwer seinen Job so ordentlich gemacht, dass dort im vergangenen Dezember zwei Häftlinge starben, Wir lernen: nicht einmal der Begriff Afghanistan, wo deutsche Soldaten Leute festnehmen und an die Amis ausliefern, löst irgendwelche tiefen Überlegungen aus. Und der vermeintlich distanzierte Ton zur Folter in Bagram löst sich auf in der Frage der "Ordentlichkeit".

Das Unordentliche war der Tod der Häftlinge - oder läßt sich objektiv mehr Menschlichkeit aus dem Geschreibsel herauslesen?

Denn es handelt sich um ein Schattenreich, internationalen Regeln weitgehend entzogen. Die Genfer Konventionen, reklamiert die US-Regierung, seien auf verdächtige Al-Qaida-Kämpfer in Guantánomo und in Afganistan nicht anwendbar. ZoD
Die Position der US-Regierung wird von der ZEIT nicht nur referiert, sondern übernommen (Schattenreich).
Die Regierung Bush hat die schiefe Ebene schon wenige Tage nach dem 11. September 2001 betreten. Die Misshandlungen seien „Folge der Weigerung, sich Regeln und unabhängiger Beobachtung zu unterwerfen“, schreibt Leonard Rubenstein, Geschäftsführer der Gruppe Physicians for Human Rights. Die bittere Frage ist jetzt: Hat es angestrengtes Wegschauen gegeben? Oder sogar eine Politik des Wegschauens? Einerseits Kritik an der Bushregierung. Andererseits - was wäre bei Regelunterwerfung und unabhängigen Beobachtern anders? Was würde sich bei einer Politik des Hinschauens ändern? 
Ein Gutes hat das ganze Drama: Die helle Empörung zwingt die Regierung Bush, die äußeren Grenzen ihres Kampfes gegen den Terror eindeutig abzustecken. Der Skandal könnte zur Wiederaufrichtung erodierter Normen und Tabus führen. Die Zeit moralischer Selbstgewissheit und größtmöglicher Ermessensfreiheit ist vorüber. Die ZEIT findet zum GUTEN des "Dramas". Was zu erwarten war.

Ab jetzt wird gezweifelt, Tragik und Drama, Zerrissenheit und Abwägung betrieben, Faschismus light mit nur begrenzter Ermessensfreiheit.

Eine Zeitschrift, bei der ein Doppelbeschlussler und Monetarist Schmidt und ein trilateraler Herr Joffe den Ton angeben, in der ein G.Hofmann schon vor fünf Jahren wußte "wie Deutschland in den Krieg geriet", hält sich seit Jahren auch einen K-B. Dessen Aufnahme in den Olymp der Protagonisten ist gesichert.
(c)Andreas Hauß, Mai 2004, medienanalyse-international.de