Bürger in Uniform

Angesichts der derzeitigen Skandale (Coesfelder Folter usw.) dokumentieren wir hier in lockerer Folge, dass es auch einen anderen Begriff  von soldatischer Pflicht gibt. Leider sind die Autoren dieser Beiträge meist schon a.D. oder in der Truppe kaltgestellt.

Wir machen uns nicht alle Auffassungen zu eigen. So sind  z.B. völkerrechtswidrige Angriffskriege auch dann mit Grundgesetz und Soldatengesetz unvereinbar, wenn sie von einer gewählten Regierung beschlossen und einem irregeleiteten Parlament abgenickt werden. Aber wer wissen will, was hinter den Kasernentoren Platz greift und was  Auslöser für die Verrohung der Truppenmoral ist, sollte die Diskussionen zur Kenntnis nehmen.

Wir tun das und freuen uns über die Klarheit der Sprache, die Mäßigung in der Diktion und den Sachverstand in Militärgeschichte - und Ethik:( weitere Bürger in Uniform s.u. Zum 50jährigen der Bundeswehr siehe hier)
 
ebenfalls auf diesen Seiten:
Soldat und Meinungsfreiheit
Lodenmantelgeschwader
Der Herr der Ringe
Oberstleutnant Rose
Oberstleutnant Rose zurm KSK
Oberstleutnant a.D. Scholz
über Major Pfaff
Kommentierung eines FAZ-Kommentars zum Pfaff-Urteil
Admiral a.D. Schmähling
Leseempfehlung:
Oberstleutnant Jürgen Rose: Ich befolge keine Befehle, die gegen das Recht verstossen
Denken Sie nach!
Ein Appell zum 20. Juli von Caroline Neubaur, der Enkelin des Widerstandskämpfers Ludwig Beck – gerichtet an die Soldaten in der Kaserne, die den Namen ihres Großvaters trägt
Kongo und die
 Traditionspflege der Bundeswehr

Über das Gefühlsleben unserer archaischen Kämpfer

- Furcht, Sorge, Angst, die Gedankenwelt und Fragen andererseits -
- Flair Afghamistans, Härte und Orgasmus -
 

Was fürchtet der Afghanistankämpfer ?
"Aber er fürchtet, dass das „ganze Elend, das man dort sieht“, ihn verändern wird."

Und Sorge ?
"Müllers größte Sorge jedoch seiner Frau und der kleinen Tochter. „Wir haben zwar einige Erfahrung im Getrenntsein, ich kann aber nicht sagen, wie das bei vier Monaten aussehen wird"

Angst:
" Angst habe er aber keine, sagt er. „Angst hat für mich immer den Beigeschmack von Handlungsunfähigkeit.

Stolz + Fragen:
"Er ist sichtlich stolz auf seine Kompanie, die seit einem Jahr zusammen ist. Auch darauf, dass nur vier Soldaten dem Einsatzbefehl widersprochen haben. Hat er selbst darüber nachgedacht? „Die Frage gibt es für mich nicht.

Noch eine Frage:
"Oft stellt er sich in diesen Tagen die Frage: „Was mache ich, wenn einer meiner Männer stirbt?“ Darauf, sagt Müller, könne einen 
niemand vorbereiten."

Zu viel Fragen:
"Andererseits kann es fatal sein, zu viele Fragen zu stellen. „Wenn es drauf ankommt, müssen alle funktionieren“ 

Fragen, die sich nicht stellen:
"Solange die Bundesregierung den Einsatz legitimiert, stellt sich die Frage für mich nicht. Uns als Soldaten obliegt es ohnehin nicht, über Sinn und Unsinn dieses Unternehmens zu entscheiden.

Flair
"Wir können das afghanische Flair hier nicht 1:1 rüberbringen.“

Was ist toll?
"1999 wäre er um ein Haar ins Kosovo abkommandiert worden, musste dann aber doch zu Hause bleiben. „Um so schöner ist es, dass ich jetzt als Chef gehen kann. Es gibt für einen Offizier nichts Tolleres, als mit den Männern, die man selbst ausgebildet hat, in den Einsatz zu fahren.

Die Braut des Soldaten:
"Er spricht mit leiser Stimme, die rechte Hand ruht auf seinem Sturmgewehr, das er keine Sekunde aus den Augen lässt."

Höhepunkt und Beweis:
"Trampe macht keinen Hehl daraus, dass er den Einsatz im Ausland für den Höhepunkt seines militärischen Berufslebens hält. „Es geht schon auch darum zu beweisen, dass man was kann.".

Männliche Härte:
"Jeder denkt an Tod und Verstümmelung. Das gibt aber keiner gern preis.“

Da ist er also, der archaische Kämpfer.

In der nächsten Folge: Wie unsere Großväter ihre Pflicht erfüllten . Ihre Kameradschaft half über vieles hinweg. Fragen stellten sich für sie nicht.

"Aus taktisch-operativen Gründen sowie zum Schutz der Identität der Einsatzkräfte und deren Angehöriger unterliegen Operationen und Ausbildungseinrichtungen der Spezialkräfte einer besonderen Schutzwürdigkeit.
Eine »Ordensgemeinschaft« kann daraus nicht abgeleitet werden. Das Selbstverständnis der Soldaten entspricht dem des Leitbilds vom Staatsbürger in Uniform und den Grundsätzen der Inneren Führung."

So stellt es die Bundesregierung für die KSK-Elite fest. Um wieviel mehr gilt diese Einschätzung dann also für die gemeine Truppe ! Kameradschaft, durch Dick und Dünn gegangen zu sein : was hat das mit Ordensgemeinschaft zu tun ? Der "Staatsbürger in Uniform" beweist sich im FAZ-Interview ja auch daran, daß man Befehle der regierung nicht hinterfragen muß .  Führung befiehl, wir folgen .


 
Heinz Kluss                                                   53343 Wachtberg
Oberst a. D.                                                   Auf dem Rosenberg 22
                                                                       Tel 0228 - 324 07 04
                                                                       e-mail: HeinzKluss@aol.com
 

Offener Brief

Herrn
BrigGen a. D. Reinhard Günzel
c/o Junge Freiheit
 

Sehr geehrter Herr General !

Ein langer Krankenhausaufenthalt hat mich bisher daran gehindert, Ihnen meine Meinung zu Ihrem “Brief an Hohmann” zu schreiben, der den Verteidigungsminister veranlasste, Sie in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Ich wollte meiner Verwunderung darüber Ausdruck geben, dass Sie glauben, eine Rede loben zu müssen, in der ein gut versorgter Politiker zuerst einmal, gewissermaßen zum verbalen Aufwärmen, auf die Ärmsten der Armen eindrischt. Wenn jemand über ein wichtiges Problem unserer Gesellschaft, nämlich den Missbrauch des Sozialstaates, zu Recht räsoniert, sich dann aber darauf beschränkt, gegen Rentner und Sozialhilfeempfänger zu Felde zu ziehen, die schamlose Geldgier einiger Top-Manager hingegen nur beiläufig erwähnt und über die Selbstbedienungsmentalität seiner eigenen Zunft, der Parlamentarier, überhaupt kein Wort verliert, dann ist das schlicht unanständig. Wohltuend dagegen Bundespräsident Rau, wenn er in seiner letzten Rede die “Eliten” anklagt, “die ungeniert in die eigene Tasche wirtschaften,“ ähnlich hat sich inzwischen auch der künftige Bundespräsident Horst Köhler geäußert. Zur einer solchen Selbstkritik fehlt offenbar dem Bundestagsabgeordneten Hohmann der Mut, deshalb tritt er unter den Bravo-Rufen eines leibhaftigen Bundeswehrgenerals diejenigen, die sowieso schon am Boden liegen, noch einmal in den Bauch.

Ebenso schäbig finde ich, dass Hohmann die Juden auswählt, um an einem Beispiel zu verdeutlichen, dass man die Schandtaten einzelner nicht dem gesamten Volk zurechnen kann - ebenfalls ein wichtiges Thema. Warum wählt er ausgerechnet das Volk, das wohl wie kein anderes vom Schicksal malträtiert worden ist? Warum nimmt er nicht die Engländer, die Franzosen, die Russen, die Katholiken - die hätten  überzeugendere Exempel  abgegeben?
Oder warum nimmt er nicht die Araber, um an ihrem Beispiel  deutlich zu machen, dass der Islam keine Täterreligion ist? Das hätte den Vorzug der Aktualität gehabt, und er hätte nicht eine 80 Jahre alte antisemitische Schwarte hervorholen müssen, um das jüdische Sündenregister genüsslich aufzählen zu können (“The International Jew”, ein vierbändiges Machwerk, das sich zu großen Teilen aus den “Protokollen der Weisen von Zion“, einer Fälschung des zaristischen Geheimdienstes, bedient). 

Inzwischen habe ich Ihr Interview “Wer an ein Tabu rührt, wird vernichtet” in der Jungen Freiheit vom 27. Februar 2004 gelesen, und ich stelle mit Freude fest, dass Sie  übertrieben haben und nicht wirklich “vernichtet” worden sind. Ebenfalls übertrieben scheint mir ihre Behauptung, es gehe darum, das konservative Lager in der Bundeswehr “möglichst auszumerzen”, (auch Ihr Gesprächspartner spricht von “stillschweigender politischer Säuberung”) - so als seien reihenweise Offiziere entlassen worden, in Wirklichkeit hat der Verteidigungsminister einmal in zwanzig Jahren einen General gefeuert, der einen aus seiner Sicht saublöden Brief geschrieben hat, und  ein anderer General (Gudera) ist  zur gleichen Zeit ein paar Monate früher in Pension gegangen. Die Verschwörungstheorie wird auch nicht dadurch überzeugender, dass Sie sich selbst in eine Reihe mit den Generalen Trettner, Panitzki, Krupinski und anderen stellen, das heißt auf Beispiele verweisen, die über ein Vierteljahrhundert zurückliegen. “Niedriger hängen!“ möchte man da  mit dem Alten Fritz raten. 

Darüber hinaus muss ich Ihnen  gestehen, dass ich viele Ihrer Bemerkungen in diesem Interview  entsetzlich finde und mir gar nicht vorstellen mag, dass sie von einem Bundeswehroffizier stammen. Noch hoffe ich aber, dass es sich um Missverständnisse handelt. 

Lassen Sie mich vier oder fünf Beispiele herausgreifen.

Erstes Beispiel:

Über Ihre Zwangspensionierung, vor allem über die ehrverletzenden Begleitumstände, (so fehlt in der Entlassungsurkunde die obligatorische Dankesformel), zu Recht verärgert, beklagen Sie, dass Sie keine Unterstützung von Ihren Generalskameraden erhalten hätten, (verraten aber nicht, ob Sie selbst Rechtsmittel eingelegt haben). “Ich glaube, ein gemeinsamer Protest einiger militärischer Führer hätte schon etwas bewirkt.” In diesem Zusammenhang erinnern Sie an den Fall Kießling, (der General war 1983, homosexueller Aktivitäten beschuldigt, von Verteidigungsminister Wörner zwangspensioniert worden), auch für ihn sei kein General “aufgestanden“; dem stellen Sie die Fritsch-Krise des Jahres 1938 gegenüber und deuten an, dass es im Gegensatz zur Bundeswehr in der Wehrmacht solche mutige Kameradschaftlichkeit noch gegeben habe. Daraus ergibt sich folgender Wortwechsel:

Junge Freiheit: 1938 entließ Adolf Hitler den General und Oberbefehlshaber des Heeres Werner Freiherr von Fritsch wegen angeblicher Homosexualität.

Günzel: Ja, und die Generalität der Wehrmacht setzte schließlich die Rehabilitierung von Fritschs durch, weil sie ihn, der offensichtlich zu Unrecht beschuldigt worden war, nicht fallenließ, sondern vor Hitler zu ihrem Kameraden stand. Eine Leistung der Generalität der vielgeschmähten Wehrmacht - in einer Diktatur -, zu der die Generalität der Bundeswehr - in einer Demokratie - bislang nicht imstande war. 1984 gab es keine Soldaten mehr, die noch in der Wehrmacht gedient hatte ...

Damit verbreiten Sie eine Legende, die die Wahrheit auf den Kopf stellt; mit der Behauptung, von Fritsch sei rehabilitiert worden, übernehmen Sie die nazistische Version, die einen Gipfel der Gemeinheit darstellt. Darüber hinaus tun Sie zahlreichen Persönlichkeiten Unrecht, die sich für Kießling einsetzten, (so hat ihn General a. D. Schmückle in einem Artikel im SPIEGEL temperamentvoll verteidigt). Nötig war diese Hilfe aber nicht. Da Kießling an die Öffentlichkeit ging und auf Rechtsmittel setzte, wurde er binnen zwei Monaten rehabilitiert, auch erhielt er angemessene Genugtuung (Wiedereinstellung, ehrenvollen Abschied). Die Parteien  standen auf seiner Seite, sogar der Bundestag nahm sich der Sache an, der Bundeskanzler persönlich verhalf ihm zu seinem Recht. Die für Fehlentscheidungen verantwortlichen Offiziere und Beamten wurden bestraft, versetzt, entlassen, darunter ein Staatssekretär.

Hingegen wurde von Fritsch, der demütigenden Hausarrest und entwürdigende Ermittlungen erdulden musste, (alle seine ehemaligen Adjutanten wurden ebenso verhört wie Stallknechte und Burschen), nicht rehabilitiert, (wenn man darunter angemessene Wiedergutmachung versteht). Für ihn konnte niemand öffentlich eintreten, da es sich um eine “Geheime Reichssache” handelte, Volk und Wehrmacht waren nicht informiert. Einer der wenigen Offiziere, die sich für ihn vorbehaltlos bei Hitler einsetzten, war dessen Wehrmachtsadjutant, Oberst Hoßbach, er wurde prompt strafversetzt. Unmittelbar nach Fritsch erzwungenem Rücktritt (zu diesem Zeitpunkt wussten Himmler und Heydrich bereits, dass der Anklage ein Irrtum zu Grunde lag) war ein Nachfolger ernannt worden (von Brauchitsch), Göring war zum Generalfeldmarschall (also zum ranghöchstem Offizier) aufgestiegen (am 4. Februar). Nachdem das Oberste Kriegsgericht Fritsch Mitte März freigesprochen hatte, ließ Göring das Urteil drei Monate ununterschrieben auf seinem Schreibtisch liegen. Vor allem aber dachte Hitler, (der, nachdem er zur gleichen Zeit Österreich “heim ins Reich geholt” hatte, außerhalb jeder Kritik stand), nicht daran, den Generalobersten wieder zu verwenden und die inzwischen stattgefundene Machtverschiebung zurückzunehmen: Er hatte sich die Wehrmacht direkt unterstellt, 60 Generale entlassen und durch ihm genehme Offiziere ersetzt - das heißt, er hatte die Mannschaft formiert, mit der er den Krieg führen wollte, in ihr hatte Fritsch keinen Platz. Auch gelang es Hitler geschickt, die Wehrmachtsführung auf seine Seite zu ziehen. Zur Beruhigung trug bei, als er Mitte Juni in einer Rede vor einem größeren Kreis von hohen Offiziere mitteilte, dass er befohlen habe, den Denunzianten Otto Schmidt zu erschießen. (Ein Test? Wer sich schweigend zum Mitwisser eines von Staatsoberhaupt angeordneten Mordes machen lässt, wird sich später auch als Mittäter  missbrauchen lassen. - Tatsächlich wurde Schmidt, der im KZ Sachsenhausen saß, erst im Juli 1942, einige Wochen nach Heydrichs Tod, erschossen.) 

Im August 1938 wurde von Fritsch zum Ehrenobersten eines Artillerieregimentes ernannt. Einige Generale waren über die “Frivolität der leeren Geste” empört. Fritsch selbst fühlte sich verhöhnt, gegenüber Freunden nannte er Hitler einen Narren und Verbrecher, der Deutschland und die Welt zerstören könne. Verbittert schrieb er zu Kriegsbeginn einer Freundin, er werde als Zielscheibe zu seinem Regiment gehen, am 22. September 1939 traf ihn vor Warschau die tödliche Kugel.

Wer Parallelen zwischen diesem Schurkenstück, das den Weg für Aufrüstung und Krieg ebnen sollte, und dem Fall Kießling, der eine Sternstunde der freien Presse und der parlamentarischen Kontrolle darstellt, auch nur andeutet, wirft Rechtsstaat und Unrechtsstaat in einen Topf. Darüber hinaus machen Sie sich, Herr General, mit einem solchen Vergleich noch nachträglich zu einem nützlichen Idioten der DDR-Staatssicherheit. Deren Abteilung Aktive Maßnahmen hatte 1984 die historischen Analogien zusammengestellt und “über Einflussagenten und anonymen Versand” in Umlauf gebracht, um - so ein ehemaliger Stasi-Offizier - “Nato und Bundeswehrführung in eine besonders üble Traditionslinie zu stellen”.
Zweites Beispiel:

Junge Freiheit: Allerdings belastet die Ehre der Wehrmacht nicht nur der Verrat an zwei Generalen während des “Röhm-Putsches” sondern vor allem die Duldung der Maßnahmen gegen die jüdischen Kameraden durch die Nationalsozialisten.

Sie antworten: Ich habe mich früher auch echauffiert, wie die Kameraden damals so etwas nur haben geschehen lassen können. Inzwischen aber, nachdem ich mich durch Lektüre mit dieser Zeit auseinandergesetzt habe, weiß ich, dass diese Empörung der Selbstgerechtigkeit der Jugend entsprang. Mit dem, was ich heute über die Nöte und Zwänge dieser Zeit weiß, bin ich nicht mehr bereit, über irgend jemanden selbstherrlich den Stab zu brechen, wie dies heute bei uns in dünkelhaftem Hochmut fast schon zum guten Ton gehört.

Auf die Gefahr hin, dass auch ich von Ihnen des dünkelhaften Hochmutes geziehen werde, möchte ich Ihnen verraten, was ich mir wünsche. Ich wünschte mir, dass ein gestandener Mann wie Sie sich einmal nicht hinter dem nazistischen Tarnwort “Maßnahmen” verschanzt, sondern die Zivilcourage hat, etwa wie folgt zu antworten: 

Worum geht es? Wofür steht das Wort “Maßnahmen”? Es steht für zehntausendfachen Mord an den Frontsoldaten des Ersten Weltkrieges, es steht für die Vergasung auch der Witwen und Waisen der Männer, die einst vor Verdun und an der Somme für Deutschland ihr Leben gegeben hatten. Und es geht darum, dass gegen diesen Massenmord an ehemaligen Kameraden und an ihren Angehörigen  von der Wehrmacht nichts unternommen wurde. 

Erst nachdem Sie das klargestellt haben, könnten Sie erklären, dass Sie persönlich über diese Verbrechen nicht “selbstherrlich den Stab brechen” mögen,  weil sie das als selbstgerecht empfinden, und Sie könnten jetzt auch näher ausführen, welche “Nöte und Zwänge” der damaligen Zeit (1943/44) Sie denjenigen zu Gute halten, die ihre ehemaligen Kameraden,  Greise,  Frauen, Kinder umbrachten bzw. zuließen, dass sie umgebracht wurden.

(Noch hoffe ich, wie gesagt, inständig, dass ich irgendetwas falsch verstanden habe, dass Sie das alles ganz anders meinen und leicht richtig stellen können.)

Drittes Beispiel:

Der Journalist der Jungen Freiheit hat offenbar gemerkt, dass Sie sich heillos verirrt haben. Während er mit dem Wort “Kameraden” die Opfer meinte, haben Sie mit dem Wort “Kameraden” die Täter geehrt, auch sind Sie mit allerlei verbalen Verrenkungen einer klaren Stellungnahme ausgewichen. Deshalb versucht er, Ihnen eine zweite Chance zu geben, wobei er allerdings erneut auf Tarnworte (“Aussonderung“) nicht verzichten mag, genauso wie Sie in Ihrer Antwort wieder nach Kräften Nebelkerzen werfen (nicht Massenmord an deutschen Frontsoldaten, sondern “diese Dinge”; nicht Schuld und Verbrechen, sondern “Makel auf dem Schild“):

Junge Freiheit: Aber die Aussonderung der jüdischen Kameraden war eine Sache, die ganz klar gegen den damaligen Soldaten-Kodex und gegen den tradierten Ehrbegriff der Konservativen verstieß.

Günzel: Das ist natürlich richtig und natürlich sind diese Dinge ein Makel auf dem Schild der Wehrmacht und nicht zu vereinbaren mit dem dem deutschen Offizier- und Soldatenethos. Das sich aber bei anderen Gelegenheiten auch gegen die nationalsozialistischen Machthaber durchaus bewiesen hat. Ich denke nur an das Ansinnen Görings, abgesprungene alliierte Flieger an ihren Fallschirmen abzuschießen, was der General der Jagdflieger einfach abgelehnt hat. Oder an den berüchtigten Kommissar-Befehl Hitlers, der von der Wehrmacht weitestgehend ignoriert wurde.

Alles falsch. Wie sich in den Protokollen leicht nachlesen lässt, wurden Racheakte an alliierten Fliegern von der Luftwaffe nicht aus humanitären Gründen abgelehnt, sondern, erstens, weil jeder gefangene Pilot als wichtige Auskunftsperson galt, und weil man, zweitens, fürchtete, dass es die eigenen Flugzeugbesatzungen demoralisieren würde, die ja dann mit einem ähnlichen Schicksal hätten rechnen müssen.

Der Kommissar-Befehl stammt nicht von Hitler. Erste Entwürfe waren im Oberkommando des Heeres (OKH) entstanden, (das Heer wollte die zivilen Kommissare auch gleich mit “erledigen“), herausgegeben wurde er vom Wehrmachtsführungsstab, unterschrieben hat Warlimont. Wesentliche Passagen hat Jodl persönlich eingefügt. Bereits Wochen bevor der erste Schuss fällt, sieht er die “hasserfüllte, grausame und unmenschliche Behandlung unserer Gefangenen” durch die Kommissare voraus; auch weiß er jetzt schon, dass sie “Urheber barbarisch asiatischer Kampfmethoden” sein würden, und deshalb “sofort mit der Waffe erledigt” werden müssten. 

Die Truppe, von der man die Erschießung wehrloser Gefangener und Verwundeter verlangt, wird mittels massiver Indoktrination darauf eingestellt. So starten die vom Oberkommando der Wehrmacht (OKW) herausgegebenen Mitteilungen für die Truppe  eine  entsprechende Hetzkampagne.  “Was Bolschewisten sind, das weiß jeder, der einmal einen Blick in das Gesicht einer der Roten Kommissare geworfen hat ... Es hieße Tiere beleidigen, wollte man die Züge dieser zu einem hohen Prozentsatz jüdischen Menschenschinder tierisch nennen ...” Bolschewismus und Judentum seien identisch, der jüdisch-russische Bolschewismus sei der “Schänder aller Kultur” und gründe auf der “Zerstörung aller Gemütswerte” und so weiter. In Millionen Flugblättern werden die Rotarmisten aufgefordert, ihre Kommissare  zu erschlagen: “Schlagt den Judenkommissar, seine Fresse schreit nach einem Ziegelstein!”

Dann die Ausführung - hier ein paar willkürlich ausgewählte Meldungen:

PzGr 4:        8. 7. 41                         101 Kommissare erschossen
                   19. 7. 41                         weitere 71 Kommissare erschossen
II. AK:        26. 7. - 2. 8. 41              6 Kommissare erschossen
AOK 16      12.10. - 15. 11. 41        20 Kommissare/ Politruks erschossen
IX. AK        30. 06. - 8. 7.                 6 Kommissare erschossen
                    29. 07. - 4. 8. 41            99 Kommissare erschossen
PzGr 3         bis Anfang Aug. 41       170 Kommissare erschossen
Dulag 155   21. 8. 41                         mindestens 125 Kommissare “nach 
                                                           Vorschrift behandelt”
Dulag 182   13./15. 8. 41                   30-40 Kommissare “erledigt” 

Der Strom der Meldungen versiegt, als der Vormarsch stockt, die Russen plötzlich ebenfalls Gefangene machen und man Repressalien befürchten muss. Auch gerät der Befehl allmählich in Vergessenheit,  die ersten drei oder vier Generationen von Frontoffizieren sind inzwischen gefallen, da er nur mündlich weitergegeben werden durfte, haben sie ihn gewissermaßen mit ins Grab genommen. 
 
 
 
 

Der Einwand, die Kampftruppe hätte den Mordbefehl “weitestgehend” ignoriert und Falschmeldungen abgegeben, war eine Schutzbehauptung angeklagter Generale, die hatten das Recht dazu. Wir haben dieses Recht nicht - um so weniger, als wir heute wissen, dass eine solche Behauptung der reinste Zynismus war. Denn wenn ein Kommissar von der Truppe wirklich verschont oder von ihr übersehen worden sein sollte, und wenn er auch noch  Razzien und Denunziationen in den Gefangenenlagern überlebt hätte - war er dennoch dem Tode geweiht, da die Wehrmacht ohnehin einen großen Teil der sowjetischen Kriegsgefangenen früher oder später krepieren ließ. 

Auch hier gilt: erst wenn Sie, Herr General, sich mit “diesen Dingen” wirklich auseinandergesetzt und nicht drum herum geredet, sondern sie beim Namen genannt haben, könnten Sie begründen, warum Sie glauben, die Wehrmacht habe trotz allem Vorbildcharakter für die Bundeswehr. 
 

Viertes Beispiel

Unerträglich ist, dass Sie Pflichterfüllung und Gehorsam der Bundeswehr durchweg mit Häme übergießen und Ihre Kameraden  als “devote Erfüllungsgehilfen” verleumden. Können Sie sich nicht vorstellen, dass die meisten Offiziere, gerade weil sie mündig sind, den Grundsatz des Primats der Politik als die einer Demokratie angemessenste Lösung eines schwierigen Problems aus freien Stücken akzeptieren? 

Junge Freiheit: Welche Rolle spielt, dass der Primat der Politik - der theoretisch zu begrüßen ist - in der Praxis zur Hörigkeit statt zu reinem Gehorsam gegenüber der Politik geführt hat?

Günzel: ... Theoretisch klingt das in der Tat gut; aber statt zu selbstständigen mündigen Persönlichkeiten wurden die Soldaten nun bar jeden Schutzes durch eine Institution wie das Offizierkorps in direkter Abhängigkeit von der Politik zu devoten Erfüllungsgehilfen. Vielleicht ist der “Staatsbürger in Uniform” doch ein zu hehres Erziehungsideal ...

Offenbar haben die Partizipationsideologen der 68er auch in Ihrem Kopf große “Konfusion” (Eschenburg) angerichtet. Ihr Irrtum ist vermutlich, dass Sie den Gehorsam gegenüber  der nazistischen Mörderbande gleichsetzen mit dem Gehorsam gegenüber einem gewählten Parlament. Zwar dürfen und sollen die Soldaten auf allen Ebenen an der Entscheidungsfindung teilhaben, sobald aber die Entscheidung durch den  jeweiligen Verantwortungsträger (Gruppenführer, Divisionskommandeur, Minister, Bundestag) gefallen ist, hört die Diskussion auf, und es wird nur noch (mitdenkend) gehorcht. “Mut zeiget auch der Mameluck. Gehorsam ist der Christen Schmuck,” sagte schon Schiller.

Junge Freiheit: Klingt, als sei die Bundeswehr die ideale Armee für die nächste Diktatur.

Günzel: Das ist sicher übertrieben. Aber im Führerkorps der Armee hat es keine Diskussion zum völkerrechtlich nicht geklärten Angriff auf Serbien gegeben ...”

Das wäre Meuterei gewesen. Wenn militärische Führer, die einen Auftrag von Regierung und Bundestag erhalten haben,  erst einmal diskutieren, ob sie ihn ausführen sollen oder nicht, dann gehören sie auf die Galeere. Ob eine Militäraktion rechtens und richtig ist, entscheidet das Parlament, niemand sonst. Offiziere, denen es nicht gegeben ist, “der Pflichten schwerste zu erfüllen, zu bändigen den eigenen Willen,“ müssen sich einen anderen Beruf suchen, (und werden feststellen, dass diese Pflicht der eigenen Zurücknahme überall gilt).

Wo - werden Sie fragen - bleibt der Staatsbürger?  Nun, nach Dienst und außerhalb der Kaserne darf der Herr Günzel seine politischen Rechte voll entfalten, in Zivil darf er abends im Ratskeller nach Herzenslust vom Leder ziehen, als Mitglied einer Partei an deren Willensbildung teilnehmen und, wenn er will, auch die Sicherheit neu erfinden, vorausgesetzt, er verrichtet anderntags wieder loyal seinen Dienst. Tausende von Bundeswehrangehörigen haben diesen geistigen Spagat hervorragend hingekriegt, zum Besten der Armee und zum Besten der Gesellschaft. Ich habe meine Soldaten immer ermutigt, in einer Partei “Flagge zu zeigen”. Dazu gehört jedoch nicht nur Mündigkeit, sondern auch Mut - weil man leider bis heute damit rechnen muss, dass Vorgesetzte wie General Günzel die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte durch Soldaten als “Einsickern des Politischen in die Armee” denunzieren. 

Junge Freiheit: Das heißt, zu einem “20. Juli”, der ja gerade aus dem der NSDAP verhassten Offizierkorps in der Wehrmacht heraus entstanden ist, wären die Offiziere gar nicht mehr in der Lage?
 
 

Günzel: Es ist delikat, dass ausgerechnet die Bundeswehr, die als einzige Wehrmachttradition den 20. Juli gelten lässt, mit eiserner Faust zuschlägt, wenn der Primat der Politik auch nur im Ansatz angekratzt wird ...

... und das ist auch gut so, denn Primat der Politik heißt ja im Grunde Primat der Demokratie! Wer also den Primat der Politik “auch nur im Ansatz ankratzt”, sabotiert demokratische Entscheidungsfindung, und wenn es hohe Militärs sind, die das vorsätzlich oder fahrlässig tun, dann ist höchste Alarmstufe angesagt. Im übrigen ist Ihr Vergleich  derart infam, dass es einem die Sprache verschlägt, (weil Sie daraus, dass die Soldaten der Bundeswehr der Demokratie treu dienen, ohne weiteres schließen, dass sie auch einem durchgeknallten Diktator gehorchen werden). Mein Gott, mein Gott, Herr General ...
 

Fünftes Beispiel:

Junge Freiheit: Gibt es bei der Bundeswehr denn noch ein Offizier- beziehungsweise auch nur ein Soldatenethos?

Günzel: Nein, ein solches Ethos gibt es, so scheint es mir, wirklich nicht mehr ...

Diese Antwort grenzt an eine persönliche Beleidigung - sie beleidigen damit alle Soldaten der Bundeswehr, vor allem  jene, die im Dienst den Tod gefunden haben. Jeder einzelne von ihnen hatte seinen Ethos, stellvertretend für sie übersende ich Ihnen die Namen der abgestürzten Starfighter-Piloten - damit Sie wenigstens die Toten um Verzeihung bitten können. 

Mich brauchen Sie nicht um Verzeihung zu bitten, weil ich Ihnen zu Gute halte, dass ja vielleicht der gerechte Zorn über die Ihnen zugefügte  Schmach Ihre Stimme heiser macht, auch fällt mir dadurch die Anmaßung leichter, Ihnen jetzt einige ethische Grundsätze der Bundeswehr zu erklären - so wie ich und die meisten Offiziere und Unteroffiziere, die ich kenne, sie verstehen, und wie wir sie unseren Soldaten zu vermitteln versuchten. 

Das Ethos der Bundeswehr besteht unter anderem darin, Fehler und Verbrechen der Vergangenheit  beim Namen zu nennen und sie nicht mit Leerformeln wie “diese Dinge“  zu verharmlosen. Das Ethos der Bundeswehr besteht darin, ein Wiederaufleben  antisemitischer Hetze, wie sie in der Wehrmacht möglich war, niemals zuzulassen. Zu den wesentlichen Inhalten dieser Hetzpropaganda gehörte die Verbreitung der  These, Judentum und Bolschewismus seien weitgehend identisch. Mit der Lüge, im Russland-Feldzug ginge es um die “Zerschlagung des jüdisch-bolschewistischen Systems”, die “Beseitigung der asiatisch-jüdischen Gefahr“, die “Ausrottung artfremder Heimtücke und Grausamkeit” und so weiter, sollte das Gewissen der Soldaten beruhigt werden, die man  als Komplizen für den geplanten Völkermord brauchte. Die Truppe sollte sich als “Träger einer unerbittlichen völkischen Idee und Rächer für alle Bestialitäten, die deutschem und artverwandten Volkstum zugefügt wurden”, begreifen und Aufgaben erfüllen, “die über das hergebrachte einseitige Soldatentum hinausgehen“ - womit letztlich die Mitwirkung an der Beraubung und Ausrottung großer Teile der osteuropäischen Völker gemeint war. 

Damit sind wir wieder bei der Rede des Bundestagsabgeordneten Hohmann, die Sie so toll finden. Ob die Rede antisemitisch ist oder nicht, sei dahingestellt - unvermeidlich aber weckt er, wenn er die jüdische Tatbeteiligung an den Verbrechen der Bolschewiki zum Thema macht und sich dabei noch auf berüchtigte Antisemiten (Henry Ford)  beruft, gewollt oder ungewollt, die alten Gespenster. Hohmann sagt: 

Mit einer gewissen Berechtigung könnte man im Hinblick auf die Millionen Toten dieser ersten Revolutionsphase nach der ’Täterschaft’ der Juden fragen. Juden waren in großer Anzahl sowohl in der Führungsebene als auch bei den Tscheka-Erschießungskommandos aktiv. Daher könnte man Juden mit einiger Berechtigung als ’Tätervolk’ bezeichnen ... Es würde aber der gleichen Logik folgen, mit der man Deutsche als Tätervolk bezeichnet. 

Das ist, mit Verlaub, auch im Konjunktiv, der letzte Quark, weil er zum Beispiel übersieht, dass an den nazistischen Verbrechen eben nicht nur - wie im Falle der Verstrickung von Kommunisten jüdischer Herkunft in bolschewistische Verbrechen - einzelne Personen beteiligt waren, sondern dass der gesamte Staatsapparat, das “Dritte Reich” mit seinen Riesenorganisationen, die Justiz und das Militär, die Wissenschaft und die Wirtschaft, ja, auch Dichter und Denker dahinter standen und dass sich zwar nicht das ganze Volk, aber doch  Hunderttausende von Deutschen persönlich schuldig machten. 
 

Eine gewisse Tragik sei Hohmann zugebilligt. Nachdem er sie einmal in die Welt gesetzt hat, kann er die antisemitischen Gespenster auch dadurch nicht wieder einfangen, dass er alles, was er vorher behauptet hat, unvermittelt wieder zurücknimmt und am Ende zum Ergebnis kommt, dass die Juden, genau so wenig wie die Deutschen, ein “Tätervolk” seien. Während er eben noch penibel den Anteil von “Juden” in den politischen Gremien und in der Führung der Tscheka vorrechnet, 
(wobei er den Hinweis vergisst, dass sie auch überproportional viele Ärzte, Wissenschaftler, Künstler und so fort stellten), entdeckt er eine Viertelstunde später, dass sie alle ja eigentlich gar keine Juden waren, da sie längst ihre “religiösen Bindungen gekappt” hätten. In der Tat hatten die Bolschewiki jüdischer Herkunft, Russen, Ukrainer, Polen, Deutsche, Letten, Kalmücken, Kaukasier, ihren Glauben aufgegeben, zum Teil betrachteten sich schon die Eltern nicht als Juden, sie vertraten auch keine jüdischen Interessen, in keinem Fall sind sie dem Judentum zuzurechnen. 

Worum geht es Hohmann bei diesem verunglückten Ausflug in die Geschichte, den Sie, Herr General, so überaus mutig finden? Es geht ihm um nicht anderes als ums liebe Geld! Er glaubt, die Deutschen würden finanziell gegenüber Ausländern benachteiligt, und “das liegt an der deutschen Geschichte“. Stolz berichtet er, dass er die Bundesregierung gefragt habe, ob sie bereit sei, “angesichts der Wirtschaftsentwicklung ... ihre Entschädigungszahlungen (... an vor allem jüdische - Opfer des Nationalsozialismus) der gesunkenen Leistungsfähigkeit des deutsches Staates anzupassen?“  - das heißt, er fordert, dass diejenigen, die schon einmal um ihren Lohn betrogen wurden, noch einmal betrogen werden. (Es handelt sich meist um alte Leute, die etwa in der Ukraine  in bitterster Armut leben und sich jetzt von der Entschädigung dringend benötigte Medikamente oder die erste richtige Matratze kaufen können. Der Betrag, der sie für jahrelange Sklaverei und ein zerstörtes Leben “entschädigen” soll, entspricht ungefähr dem halben Tagesverdienst eines deutschen Spitzenmanagers oder dem halben Monatseinkommen eines Bundestagsabgeordneten.) 

Die Bundesregierung hat eine Kürzung dieser Entschädigung natürlich abgelehnt. Hohmann, verbittert: “Dafür müssen wir Deutschen den Gürtel halt noch ein wenig enger schnallen.“ Am Schluss seiner Rede scheut der Christdemokrat, der gerade zur Verweigerung tätiger Nächstenliebe aufgerufen hat, sich nicht, “entschieden für eine Rückbesinnung auf unsere religiösen Wurzeln und Bindungen” und für einen “Gottesbezug” in der europäischen Verfassung zu plädieren.
Gegen Ende des Interviews zitieren Sie, Herr General, den estnischen Politiker Lennart Meri, der einmal bemängelt habe, dass man sich in Deutschland “rund um die Uhr in intellektueller Selbstverachtung” übe. Genau das tun Sie! Ihre Bemerkungen triefen vor Hohn und Häme für Bundesrepublik und Bundeswehr, und selbst, wenn die Frage Sie eigentlich zu einem Lob zwänge, suchen Sie dem auszuweichen.

Junge Freiheit: Wie kampfkräftig ist eigentlich die Bundeswehr? Bislang bewältigt sie die neuen internationalen Aufgaben schließlich augenscheinlich ebenso gut wie andere Länder.

Günzel: Eine Armee bewährt sich immer erst im Kriege...

Was soll das? Das ist, als würde man auf die Frage, wie das neue Auto läuft, antworten: Wie gut ein Auto ist, zeigt sich immer erst bei einem Unfall. Nein - eine Armee bewährt sich nicht erst im Kriege, sondern in dem sie den ihr jeweils gestellten Auftrag bestens erfüllt, und genau das hat die Bundeswehr seit ihrer Gründung  getan und das tut sie heute in Afghanistan, auf dem Balkan, am Horn von Afrika, in der Heimat und überall, wo die Politik sie hinschickt. Wo bleibt Ihr Leistungsstolz, Herr General? Warum sagen Sie nicht, was Sie wissen: Die Bundeswehr, die inzwischen doppelt so alt ist wie Reichswehr und Wehrmacht zusammen, ist die erfolgreichste Armee der deutschen Geschichte! Sie hat ganz wesentlich zu den den Erfolgen der westlichen Nachkriegspolitik beigetragen: zur Versöhnung mit ehemaligen Feinden,  zur Vermeidung eines Atomkrieges, zum unblutigen Sieg über das Sowjetimperium, zur Wiedervereinigung Deutschlands, zur Osterweiterung von Nato und EU, zu humanitären Interventionen rund um den Globus. Niemals zuvor in der Geschichte hatte die deutsche Stimme in der Welt größeres Gewicht. Warum fällt es Ihnen so schwer, das über die Lippen zu kriegen? Warum gehen Sie immerfort gebückt?

Zum Ethos von Bundesrepublik und Bundeswehr gehört  auch der Stolz auf die eigenen Leistungen  seit 1945, die in der Geschichte einmalig sind, und aus denen Deutschland Selbstvertrauen und Zuversicht für die Zukunft schöpfen kann. Ich bedaure, dass Sie diesen Stolz und diese Zuversicht nicht teilen. 

Mit freundlichen Grüßen




An die “Junge Freiheit”, Leserbrief: 

Zu “Völkermord im weißen Winkel Europas” von Werner Pfeifer,  und zum Leserbrief “Wie lange noch?” von Reinhard Wick, beide JF 18/04

Rettungsengel Wehrmacht?

Reinhard Wick behauptet, viele Balten würden der Wehrmacht ihr Leben verdanken: weil sie das Baltikum binnen 12 Tagen überrannt habe, hätten die Sowjets “nur” 28.000 Esten deportieren können. (Die Esten selbst schätzen die Zahl der 1940/41 Verschleppten auf 60.000, von denen etwa 20.000 umgekommen sind.) Um nicht seinerseits in der Verdacht der Geschichtsklitterung zu geraten, hätte Wick zumindest in einem Halbsatz erwähnen müssen, dass es der Oberbefehlshaber der Wehrmacht gewesen war, der die baltischen Völker 1939 an Stalin ausgeliefert hatte. Werner Pfeifer hat in seinem langen Artikel für diese Schandtat Hitlers ebenfalls kein Wort übrig. Beide verschweigen auch, dass Deportationen und Mordaktionen unter deutscher Besatzung unvermindert weitergingen. Zwar galten die Balten nicht - wie die Russen - als “Untermenschen”, dennoch war für sie im großgermanischen Reich kein Platz vorgesehen. Lediglich “rassisch wertvolles Blut” sollte assimiliert, die Massen aber vertrieben oder vernichtet werden, um Raum für deutsche Siedler zu gewinnen. Bereits am 1. Dezember 1941 meldet zum Beispiel der für Litauen zuständige SS-Standartenführer Karl Jäger voller Stolz, sein Einsatzkommando habe “137 346” Männer, Frauen und Kinder umgebracht. Ähnlich hat die Einsatzgruppe A in Lettland gewütet. So wurden im Spätherbst 1941 die Einwohner eines ganzen Stadtteils von Riga wie Hasen abgeknallt, um Wohnungen für nordhessische Juden freizumachen. (Unter den in die Ghettos im Baltikum und in Weißrussland deportierten Deutschen befanden sich übrigens Tausende ehemaliger Frontsoldaten aus dem Ersten Weltkrieg, viele hoch dekoriert, Verwundete. Wo war die rettende Wehrmacht, als nicht nur die alten Kameraden, bis auf ihre Unterwäsche  beraubt, vergast wurden, sondern auch die Witwen und Waisen der Männer, die einst bei Verdun und an der Somme ihr Leben für Deutschland gegeben hatten?)

Heinz Kluss, Bonn

(c) Heinz Kluss, 2004

 
 (c) Andreas Hauß, 2004,  medienanalyse-international.de/index1.html
Im übrigen bewundere ich Frau Klarsfeld.