Erwarten Sie ein Konsensangebot, das in strategische Abteilungen deutscher Konzerne gerichtet ist. Die Zahl linker identitätsstiftender Verbalradikalismen wie "imperialistisch", "Kampf dem xy" usw. ist limitiert.
Als Staat „Interessen“ zu haben gilt hier vielfach noch immer als
unanständig, obwohl akzeptiert wird, dass Deutschland Objekt der Interessenlage
anderer ist. Vielleicht liegt hier der Grund für in unserem Land besonders
enthusiastisch geführte Menschenrechts- und Burka-Befreiungsdebatten.
Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte von 1933-1945 ist verständlich,
dass die Westbindung im Systemkonflikt mit seinem sicherheitspolitischen
Kontext als überragendes Interesse galt, während sich die Politik
in anderen Bereichen klein machte. Dieser überschaubare Zustand hat
sich grundlegend geändert. Die seit dem Ende des Ost-West Konflikts
mit dem Wegfall der geostrategischen Balance dramatisch veränderten
Rahmenbedingungen, der europäische Einigungsprozess, die fortschreitende
wirtschaftliche und kommunikative Globalisierung und die sich herausbildenden
neuen Kraftzentren beeinflussen die internationalen Beziehungen in einer
neuen Qualität. US-Unternehmen haben sich darauf zum Teil besser eingestellt,
weil ihnen die Politik die Wege ebnet, ggf. mit Brachialgewalt. Die deutsche
und die europäische Politik und Wirtschaft verharren dagegen in einem
Zustand des Reagierens und halten an einer überkommenen transatlantischen
Interessenidentität fest, anstatt sich offensiv mit der Blaupause
für die Nationale Sicherheitsstrategie der USA auseinander zu setzen,
deren Ursprünge auf die Wendezeit zurückgehen 1). Dieser Mangel
hat jedoch negative Auswirkungen auf die Wirtschaft, die sich an konkreten
Beispielen des vergangenen Jahres nachweisen lassen. Insofern sehe ich
Schnittmengen, die mich zu diesem Brief veranlasst haben.
Im Managermagazin war voriges Jahr der folgende Kommentar zu lesen:
Es gibt weitere Beispiele. Eine Reaktion der Bundesregierung ist
nicht bekannt.
Zwei Herausforderungen
· Die militärische Suprematie der USA nach dem Kollaps
der Sowjetunion
Zwischen beiden besteht eine fruchtbare Wechselbeziehung. Sie sind
die tragenden Säulen der neuen Weltordnung. Die oben erwähnte
Studie der republikanischen Denkfabrik PNAC fordert, dass die Vereinigten
Staaten jeder denkbaren Koalition deutlich überlegen sein müssen.
Ausdrücklich wird dies auf das Militärische in allen Dimensionen
und die Wirtschaft bezogen. Die klein zu haltenden potentiellen Konkurrenten
werden benannt. Unter ihnen befinden sich die EU und China.
Dies ist ein Kontrastprogramm zum europäischen Multilateralismus.
Letzterer setzt auf gleichberechtigte Akteure, ein verlässliches,
funktionierendes Regelwerk, Interessenausgleich und die Herrschaft des
Rechts. Ein Weg, der leidvollen historischen Erfahrungen entspringt, die
andere bisher nicht machen mussten. Der US-Militärhaushalt von derzeit
400 Mrd. Dollar mit massiv steigender Tendenz lässt sich mit keiner
einzigen real bestehenden Bedrohung rechtfertigen. Er dient nur einem Ziel:
Dem Austragen geo-ökonomischer Konkurrenz um kritische Rohstoffe und
Absatzmärkte mit militärischen Mitteln.
Die Grundkonstanten der amerikanischen Außenpolitik gelten für Demokraten und Republikaner gleichermaßen, weil sie geostrategisch ausgerichtet ist. Balkankrieg, NATO-Osterweiterung, das 1999er neue strategische Interventions-Konzept der NATO unter Abkoppelung von der Charta der VN und das Abstreifen lästiger Vertragsbindungen sind von Clinton gesetzte Meilensteine. Nicht immer macht der - freundliche – Ton die Musik. Von der Entrüstung des demokratischen Präsidentschaftsbewerbers Kerry über die nicht vorhandenen Massenvernichtungswaffen im Irak sollte man sich nicht täuschen lassen. Sie ist dem Wahlkampf geschuldet. Überparteiliche US-Interessenlage
o Die Gestaltung der internationalen
Beziehungen auf der Grundlage des Rechts des Stärkeren, nachdem das
geostrategische Gegengewicht weggefallen ist. Die einst treibende Kraft
hinter der bestehenden Völkerrechtsordnung betrachtet die Vereinten
Nationen als Hindernis.
Bedingung von Wirtschaft
Die entscheidende Frage, so namhafte Ölgeologen , ist eine andere: Wann ist der Zeitpunkt erreicht, zu dem die weltweit höchste Förderkapazität unwiderruflich ihren Höhepunkt überschritten hat und dann kontinuierlich sinkt ? Der Hintergrund: wenn 50% eines Ölfeldes ausgebeutet sind, werden der technische und Energieaufwand für den Rest exponentiell größer. Um 2010 soll es weltweit soweit sein. Gleichzeitig steigt jedoch die Nachfrage dramatisch an. China importiert bereits jetzt 20% der Weltfördermenge. „The Cheney National Energy Report“ vom April 2001 4) in Verbindung mit den Prognosen der Geologen und der „grand strategy“ des PNAC-Dokumentes liefert stichhaltigere Erklärungen für die amerikanische Außen-, Wirtschafts- und Finanzpolitik und die militärischen Interventionen der vergangenen Jahre als unsere transatlantischen White House- Astrologen in Politik und Medien. Dies gilt umso mehr, als die PNAC- Autoren keine Spindoktoren, sondern langjährige Amts- und Machtinhaber mehrerer Administrationen sind und führende Funktionen in der US- Ölindustrie inne hatten. Eine Liste der Staaten und Regionen, die sich – politisch oder militärisch - besonderer Aufmerksamkeit der USA erfreuen, gibt weiteren Aufschluss: Venezuela, Mexiko, Kolumbien, Sudan, die westafrikanische Küste (Sao Tomé, Principe), Algerien und Marokko, Libyen mit den aufschlussreichen Entwicklungen der letzten Wochen (bei RWE ist man not amused), Georgien und das Kaukasusgebiet, die ehemaligen islamischen Sowjetrepubliken, der Mittlere und Nahe Osten, Indonesien, Afghanistan, Japan, Korea. Die Dislozierung amerikanischer Streitkräfte in der Welt und die Bemühungen um Bereitstellung von Militärstützpunkten in (öl-) strategisch wichtigen Regionen bis hin zur Besetzung eines Landes haben eine klare Botschaft: Wir wollen die Kontrolle über die wirtschaftliche Entwicklung unserer Rivalen sicherstellen, indem wir bestimmen, wer wie viel Öl zu welchem Preis erhält. „Let’s look at it simply. The most important difference between North
Korea and Iraq is that economically, we just had no choice in Iraq. The
country swims on a sea of oil.” 5)
va banque
Die neue Weltordnung des „America first“ stützt sich auf militärische Suprematie, das Dollarsystem, die Kontrolle der Energieströme 8), Dominanz in den einschlägigen Institutionen der Weltwirtschaft und das Recht des Stärkeren. „Der“ internationale Terrorismus dient nach dem Wegfall jeglicher ernst zu nehmenden militärischen Bedrohung zur Rechtfertigung eines gigantischen Militärapparates vor der eigenen Bevölkerung. 9) Gleichzeitig hält der neue Feind die Truppe der Industrie- und Schwellenländer bei der Stange und lässt die Gläubiger weiterhin Papiergeld akzeptieren, das realwirtschaftlich nicht mehr gedeckt ist. In einer Weltordnung, von der ein Akteur mit Hilfe der von ihm dominierten Instrumente überproportional profitiert, müssen sich die übrigen Akteure Fragen stellen, die alternativ in zwei Hauptrichtungen beantwortet werden können: · Anpassung – Unterordnung - reagieren
Bei der ersten Antwort dominieren die Risiken: zunehmende Abhängigkeit bis zum Vasallentum, Verlust eigener Handlungsspielräume, Rechtsunsicherheit, weitere Kriege und Destabilisierung, eigener Blutzoll, Verschwendung geistiger und materieller Ressourcen, Entstehen von aggressiver Gegenmacht, europäischer Zerfallsprozess, Dauergefahr des Systemkollapses. Die Hoffnung, auch künftig zu den Gewinnern zu zählen, dürfte sich dagegen nur für wenige erfüllen. Aus europäischer und asiatischer Sicht wäre es ein schwerer Fehler, die positiven wirtschaftlichen System-Erfahrungen der Zeit zwischen 1945 und der Wende auf die Zukunft zu übertragen. Der „sanfte Hegemon“ (Joffe) existiert nicht mehr.
Die zweite Antwort beinhaltet ebenfalls Risiken. Die Chancen überwiegen jedoch, weil sie als Alternative nur das „zivile“ Kontrastprogramm sein kann und einen Prozess mit größerem Gestaltungsspielraum in Gang setzt. Als Träger und Katalysator einer Alternative käme primär nur Europa in Frage, weil es wirtschaftlich stark genug ist, sein Einigungsprozess vergleichsweise weit fortgeschritten ist und seine Kultur des Interessenausgleichs, der Rechtsstaatlichkeit und der diplomatischen Konfliktregelung weltweit Anerkennung findet. Zur Realisierung ist es allein jedoch nicht stark genug. Die USA werden ohne Not nicht bereit sein, sich auf den mulilateralen Ansatz einzulassen, solange sie vom Ist-Zustand den Rahm abschöpfen können, ihre Position der Stärke weit überschätzen und ihnen die Unkosten zum großen Teil vom Rest der Welt erstattet werden. Andererseits können die anstehenden Probleme nicht ohne Amerika gelöst werden. Folglich muss Europa Verbündete finden, um die Vereinigten Staaten zur Einsicht zu bringen. Für eine Gegenstrategie fehlen nicht primär die Instrumente, sondern der nüchterne Blick auf die jeweilige Interessenlage, Mut, die Fähigkeit zwischen Fakten und Bluff zu unterscheiden und der Wille zu agieren anstatt zu reagieren. Statt dessen wird in Europa mit einer Mischung aus Dankbarkeit, Pietät
und Respekt an eine längst nicht mehr existierende transatlantische
Interessenidentität geglaubt. Die Realität: Mitte Januar dieses
Jahres schob Alan Greenspan in seiner Berliner Rede den Europäern
ungerührt den Schwarzen Peter für die Dollarschwäche zu
und empfahl als Mittel gegen einen US-Finanzkollaps die Umwandlung der
nationalen Rentenkassen in private Fonds, die ihre Gelder dann in den USA
anlegen würden.
Wer weiterhin auf die US-Konjunktur als Motor für die Weltwirtschaft
setzt, wird letztlich seine ökonomische Basis zerstören. Als
sich Greenspan neulich zum Zinsniveau räusperte, bekamen die Börsen
Schluckauf. Wie lange wollen sich Unternehmen und ganze Volkswirtschaften
diese Abhängigkeit noch bieten lassen? Weltweit gibt es keinen zweiten
Schuldner, der seinen Gläubigern die Bedingungen diktieren kann.
Eckpfeiler eines Projekts
· Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe in Asien
und Lateinamerika
Rolle Chinas
Wenn Europa den Versuch nicht wagt, an den Stellschrauben der Weltpolitik zum Vorteil aller Akteure zu drehen, wird es an der Seite der Imperialmacht mitziehen müssen in die Globalisierungskriege der Zukunft - unter der Flagge „War on Terrorism“. Von Israel bis Nordirland, von Afghanistan bis Indonesien und den Philippinen ist dagegen klar geworden, dass militärische Mittel als Repressionsinstrument ungeeignet sind. Das liegt in der Natur der Asymmetrie. Alle bisherigen Erfolge bei der Festnahme führender Köpfe von Terrorgruppen sind das Ergebnis einer geduldigen, zähen Arbeit von Polizei und Geheimdiensten im multinationalen Verbund. Wer hier auf militärische Mittel setzt, erntet den neuen „Hundertjährigen Krieg“, von dem der ehemalige CIA- Direktor James Woosley spricht. Statt weiterhin den altersschwachen Motor der Weltwirtschaft mit
den eigenen Überschüssen zu subventionieren, sollte die hoch
produktive europäische Wirtschaft selbst zum Motor zu werden. Die
US- Drohung, die Exporte über den Dollar in die Zange zu nehmen wird
als Bluff entlarvt, wenn die asiatischen Zentralbanken geordnet in den
Euro wechseln. Denn ohne deren Anlagen ist das amerikanische Defizit nicht
mehr zu finanzieren. China hat den Diversifizierungsprozess bereits eingeleitet,
weil der relative Wert seiner Dollarrücklagen stetig zurück geht.
In der ASEAN+3 Gruppe wird intensiv über die Ausgabe von Staatsanleihen
in regionalen Währungen nachgedacht. Das ist Sprengstoff für
das Dollarsystem. Eine solche Entwicklung bedarf der konzeptionellen und
institutionellen Steuerung. Wird sie sich selbst überlassen, droht
tatsächlich das Chaos, das Greenspan et alia bisher virtuos als Disziplinierungsinstrument
einsetzen.
noch wohl fühlen
Der wirtschaftliche Erfolg global handelnder Unternehmen ist nur
dann gesichert, wenn sie die herrschenden politischen Rahmenbedingungen
analysieren und daraus die Konsequenzen ziehen. Ohne Scheuklappen und falsch
verstandene Loyalitäten. Quartalsdenken und der Blick durch die betriebswirtschaftliche
Lesebrille könnten im konkreten Fall ThyssenKrupp zum Ergebnis kommen:
Problem gelöst, Problem behoben, Ablage. Bei den Betroffenen gibt
es diese Sichtweise, davon konnte ich mich überzeugen. Für mich
ist das Vogel Strauss- Politik. Verantwortliche Unternehmenspolitik muss
dagegen Risiken vorbeugen. Ich bezweifle allerdings, dass dazu bei der
gegebenen weltpolitischen Lage und den Kräfteverhältnissen die
genaue Analyse ausreicht und gehe deswegen
einen Schritt weiter: Nur der aktive Einsatz für die Veränderung
der weltwirtschaftlichen und weltpolitischen Rahmenbedingungen schafft
wirkliche neue Spielräume. Jeder Euro, den Europa für das Zusammenflicken
von Staaten ausgibt, die von amerikanischen Präzisionswaffen zerlegt
worden sind, kann nicht investiert werden. Durch Subunternehmen, wie jetzt
im Irak, ist das volkswirtschaftlich nicht zu kompensieren. Jeder Yüan,
der zur Stützung des Dollars ausgegeben wird, ist der binnenwirtschaftlichen
Entwicklung entzogen.
Daimler-Chrysler ist eines der wenigen deutschen Unternehmen mit einem im umfassenden Sinn strategischen Planungsstab für Politik und Außenbeziehungen. Er wird – in Washington – geleitet von Michael Inacker, der dem Vorstandsvorsitzenden direkt untersteht. Inacker ist im September 2003 nach insgesamt acht Jahren als außenpolitischer Redakteur bei „Welt“ und „FASZ“ ins Unternehmen zurück gekehrt. |
Anmerkungen:
1) The Project for the New American Century (PNAC): “Rebuilding America´s Defences”, September 2000, von Paul Wolfowitz 2) Johannes J. Reich (Bankhaus Metzler) im Managermagazin vom 27. 05. 03 in „Die neue Weltordnung“, http://www.manager-magazin.de/geld/artikel/0,2828,249860,00.html 3) „Submission to the Cabinet Office on Energy Policy“ by The
Oil Depletion Analysis Centre, September 9, 2001. www.cabinet-office.gov.uk
4) Erstellt auf der Grundlage „Strategic Energy Policy: Challenge for the 21st Century“, James Baker Institute for Public Policy and Council on Foreign Relations, Houston, April 2001. www.rice.edu 5) „Wolfowitz: The Iraq War was about Oil“, The Guardian, 4. Juni 2003 in einem Bericht über eine Sicherheitskonferenz in Singapur 6) London Institute of Petroleum, 1999, www.petroleum.co.uk 7) Paul O’Neill, erster Finanzminister unter George W. Bush in Mid-East Realities, 10. Januar 2004, www.MiddleEast.org 8) “The overriding motivation for this political smokescreen [Krieg
gegen den Terrorismus] is that the US and UK are beginning to run out of
secure hydrocarbon energy supplies…As demand is increasing, so supply is
decreasing, continually since the 1960s.”, Michael Meacher, britischer
Umweltminister von 1997-2003, “This War on Terrorism is Bogus” in: Guardian,
6. September 2003
10) Siehe Fußnote 6: „You’ve got to go where the oil is.....“ (Cheney) 11) Hans-Dietrich Genscher: „Politikberatung durch Immanuel
Kant“. Der Tagesspiegel v. 10. Februar 2004
Anmerkung AH: Vgl. zusätzlich die einschlägigen Dateien und links auf dieser Website: Worum es geht -die jeweiligen Interessenslagen (erschienen vor dem Irakkrieg), und zum zum PNAC, zum Irak, zu Venezuela |