"DIE WELT" vom 29. März 1999, Seite 2:  Quelle anklicken
Beckstein warnt vor Serben-Gewalt
Aufruf zum "Kampf mit allen Mitteln" - Verschärfte Kontrollen an Flughäfen
VON ANDREAS BAUMANN

Berlin - Je länger der NATO-Einsatz gegen Milosevic dauert, desto höher
schlagen die Emotionen vieler Serben, die in Deutschland leben. Erste
Eruptionen waren am Wochenende in Berlin zu beobachten. Am Rande einer
PDS-Demonstration gegen die Bombenangriffe lieferten sich mehr als 100
Jugoslawen Schlägereien mit der Polizei. Sie hatten Milosevic-Bilder
hochgehalten und auf Plakaten US-Präsident Clinton und Kanzler Schröder
mit NS-Verbrechern gleichgesetz. Als die Polizei eingriff, flogen Stöcke
und Flaschen. Acht Beamte wurden nach Polizeiangaben verletzt, 15
Demonstranten festgenommen.

Bayerns Innenminister Günther Beckstein warnt unterdessen schon vor
Schlimmerem. Im Deutschlandradio sagte der CSU-Politiker, es werde wegen
der Jugoslawien-Krise mit einer erhöhten Gefährdung der inneren
Sicherheit in der Bundesrepublik gerechnet. Es gebe Warnungen vor
Terrorkomandos aus Serbien. Die Qualität dieser Meldungen lasse sich
aber nicht abschließend bewerten. Die größte Sorge bereitet den
Sicherheitsbehörden die selbst von Belgrader Universitätsprofessoren
unterstützten Aufrufe der Serben im Ausland, den Kampf gegen den Rest
der Welt überall und mit allen Miteln zu führen.

"Wir beobachten die Situation aufmerksam", hieß es am Sonntag im
Bundesinnenministerium. ... Es gebe kaum Erkenntnisse, wie stark die
rund 800.000 Jugoslawen in Deutschland organisiert sind, sagte
Werthebach, der bis 1998 Staatssekretär im Bonner Innenministerium war. ...

Zu dieser Meldung gäbe es viel zu kommentieren. Na klar doch - es wird hier zunächst einmal Stimmung gegen den Serben an sich gemacht: jeder ist verdächtig. Nur so ganz ohne Hintergrund steht die Meldung nicht. Welches Recht dieser Welt verbietet einem Staatsbürger, sich für seinen Staat einzusetzen, wenn dieser angegriffen wird? Der Status des betreffenden Kombattanten wäre halt eben mal wieder der berühmte "Heckenschütze", "Maquisard", "Partisan" o.ä., also nicht "Soldat". Die militärische Unvorbereitetheit, also Sinnlosigkeit, dürfte ein wesentlicher Grund gewesen sein für die Ruhe an der "innerdeutschen Front". Zum Glück. Übrigens wäre auch - man lese den Kommentar von Herzog zum Widerstandsrecht - jeder Deutsche zum Widerstand berechtigt gewesen, da offensichtlich während des Krieges die Grundordnung wesentlich verletzt war, aber das nur am Rande.

Jedenfalls ist aus dieser Meldung ablesbar, wieviele Facetten des Krieges gegen Jugoslawien nicht intensiv in das Bewußtsein der Menschen drangen, und welche Konjunktive ein Krieg eröffnet: bis hin zu inneren Kriegszuständen. Auch in den Kriegen zuvor waren sich die Deutschen über den Erfolg einig, freuten sich über die Siege usw. - bis die ersten Bomben sie selbst trafen, bis die Todesmeldungen von den Fronten sich häuften, die Lebensmittelkarten nichts mehr hergaben. Müssen wir es so weit kommen lassen?
Es ist ja nochmal gut gegangen. Ja, für uns. Und für die Jugoslawen?