Volkes Mund tut Wahrheit kund....
Nicht daß wir uns mißverstehen: hier macht sich niemand
lustig über eine Unbeholfenheit des Normalbürgers, wenn dieser
vor der Kamera oder dem Mikrophon steht.
Es geht nicht um druckreife Sätze, nicht um bis ins Letzte durchdachte
Sinnsprüche, Haltungen usw.
Es geht nur darum, daß eine eigentlich gewitzte, in Frage des
persönlichen Alltags durchaus kompetente Bevölkerung in ihrer
Beschränkung und Beschränktheit dargestellt wird, wenn der TV-Reporter
XY auf Herrn und Frau Mustermann zujagt und irgendeine politische
Frage oder Abstruses zu Tagesthemen fragt.
Politiker haben dann ihre Floskeln.
Otto Mustermann hat außer Stottern wenig. Und dann kommt
heraus, wieweit die Verblödungsstrategien schon gewirkt haben und
- weiterverbreitet werden!
Was sagt denn unser Mustermann auf eine Frage nach seiner Bewertung der jüngsten Steuerreform? Was kann er denn überhaupt sagen?
Ja ähem. Ich denke mal..... So ist es. Er denkt mal. Nicht immer. Auch nicht systematisch. Sondern MAL. Das ist es ja.
Was antwortet Frau Mustermann auf die ebenso sinnige Frage nach ihrer
Meinung zur Geiselbefreiung im Lande soundso? Was kann sie überhaupt
antworten, nachdem sie jahrzehntelang von den Medien desinformiert wurde
und keinen blassen Schimmer hat, wo soundso überhaupt liegt?
Da sag` ich mal, daß es doch schön ist, daß die
wieder frei sind.
Ach.
NATÜRLICH kommt Frau Mustermann mit etwas Allgemeinmenschlichem.
Und sie sagt MAL. Weil sie sonst niemand etwas fragt und sich nach
ihrer Meinung richtet.
Diese Floskeln sag ich mal und denk ich mal sind REAKTIONEN, typische zudem, auf unsere Mediengesellschaft. Es schwingt sogar in der Abgabe einer Meinung die Verunsicherung mit. Verzagtheit und Demut vor dem Fernsehen sind hierin zu sehen.
Die Beiträge, in denen Otto Normalverbraucher antwortete:
Leck´mich doch am Arsch oder Warum wollt Ihr denn das
wissen? Ist doch egal, was ich dazu meine... - diese Beiträge
dürften wohl wegen Nichtsendefähigkeit geschnitten worden sein.
Dabei war "nur" die Meinung abgefragt worden.
Nicht Wissen. Es war kein Quiz um 100.000 Euro!
Das Fernsehpublikum wird sich so recht nicht mehr bewußt, was
ihm tagtäglich serviert wird. Keine harten Fakten, sondern Meinungen.
Täglich, stündlich, minütlich. Die eigene Meinungslosigkeit
und Unsicherheit rührt auch daher. Denn wie soll man eine fremde Meinung
bewerten? Da ist nichts einzuordnen, nichts zu bewerten. Es sind doch nur
Meinungen.
Die Fakten, die Wahrheit, die können ganz anders sein.
Gibt es sie überhaupt - die Wahrheit?
DAS ist dann schlußendlich das Strickmuster und die grundlegende Haltung, die erzeugt werden sollen und erfolgreich erzeugt werden:
Ja wer weiß denn schon, was da wirklich geschehen ist....
Die lügen doch alle wie gedruckt....
Wer kann das schon sagen....
Ob das wirklich so war?...
Die machen doch eh das was sie wollen...
Es soll Menschen geben, die eine zunehmende Politikverdrossenheit im
gemeinen Volk feststellen und bedauern. Sie machen das Phänomen
normalerweise an „den Parteien“ fest. Die sollten sich „noch mehr“ dem
Volk „zuwenden“. Die reale Entmündigung, die Entmachtung und
ihre mediale Widerspiegelung bleiben bei diesen Analysten außen vor.
Die Peinlichkeit, mit der tagtäglich Politiker oder auch Normalmenschen
im TV gezeigt werden mit ihren schwammigen Antworten auf
Wie beurteilen Sie....
Wie stellt sich nun die Lage dar....
Was meinen Sie zu....
Was halten Sie von....
diese Peinlichkeit wird nicht angeprangert. Es wird bei diesen
Fragen durch die Journaille überhaupt nicht mehr nach den Fakten gefragt.
Um die geht es nicht. Es geht einzig und allein um die DARSTELLUNG der
Fakten. Bei Wahlsondersendungen fällt es doch jedem auf.
Statt
Was sind Ihre Wahlaussagen zu diesem oder jenem?
wird nur noch gefragt:
Wie bewerten Sie die Chancen Ihrer Partei, wenn...
Ein Triumph der Form über den Inhalt in FORM eines 100%igen KOs.
Nehmen wir eine Katastrophe bzw. das, was uns hier im satten Deutschland
als solche dargestellt wird.
Wer hört und sieht in unseren Medien schon eine Befragung von
Augenzeugen, Sachverständigen oder Verantwortlichen in folgender Weise:
Was war? was ist? was wissen Sie? was können/werden Sie wissen
(in z.B. einer Stunde? was ist geplant? was können wir machen? welche
Optionen zu handeln gibt es? was wird auf immer ungewiß bleiben?
Diese Fragen NICHT zu stellen bedeutet, sie auch nicht beantwortet zu
bekommen. Und Otto Normalverbraucher wird so eingeübt in die Lethargie
des „man kann ja nichts machen“.
Es ist ein Machtwechsel eingetreten in Deutschland von der Generation
derer, die predigten:
Laßt uns nur machen, wir wissen schon was gut für Euch ist...
zu einer Folgegeneration, die nach dem Motto handelt:
legal - illegal - scheißegal - meine Meinung zählt,
und die ändert sich halt minütlich
Die Unverbindlichkeit, Faktenlosigkeit, Planlosigkeit, Perspektivlosigkeit
zieht sich von unten nach oben durch die Gesellschaft - zusammen mit der
Gesetzlosigkeit und Beliebigkeit sogar in Fragen der Ethik.