Outlaw

Quelle   Frankfurter Allgemeine ,  06.04.2004 (Auszüge)
 
"Aufstände radikaler Schiiten in Bagdad, Basra, Amara, Nadschaf
Amerikaner setzen Kampfhubschrauber ein / Bremer: Muqtada al Sadr ein Geächteter"

Her./gel. ISTANBUL/WASHINGTON, 5. April. Im Irak haben sich die Auseinandersetzungen zwischen den Besatzungsmächten und den Anhängern des radikalen Schiitenführers Muqtada al Sadr am Montag weiter verschärft.
...das Viertel, das zu den Hochburgen des jungen Klerikers gehört. ... Sadr hatte zu Widerstand aufgerufen. Gegen ihn wurde ein Haftbefehl erlassen. General Kimmit gab in Bagdad bekannt, daß bereits vor Monaten gegen Sadr ein Haftbefehl ausgestellt worden sei. ....Bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern Sadrs und den Besatzungsmächten sind in den vergangenen Tagen in mehreren Städten des Iraks mindestens 59 Personen getötet worden, darunter acht amerikanische Soldaten und einer aus El Salvador. Der amerikanische Zivilverwalter im Irak, Bremer, nannte Sadr einen ”Geächteten" (outlaw). Er warf ihm vor, mit seiner Gewalt, besonders bei den Demonstrationen in Nadschaf, ”eine Linie überschritten" zu haben. Anstelle der legitimen Autorität wolle er seine Autorität errichten, warf er Sadr vor. ”Das werden wir nicht tolerieren", kündig- te Bremer an. Sadr erwiderte, er sei stolz, von einem ”Führer des Bösen" ein Geächteter genannt zu werden und ”das Gesetz der amerikanischen Tyrannei" zu brechen. Zuvor hatte Sadr seine Anhänger aufgerufen, ”den Feind zu terrorisieren".
...Gegen Sadr erhob Bush schwere Vorwürfe. ”Diese Person will lieber Gewalt ausüben als die Bildung einer Demokratie zuzulassen." ...
Beide Senatoren wiesen darauf hin, daß nicht klar sei, wie die künftige politische Führung im Irak aussehen werde und wie unter ihr die Sicherheit und die der im Irak tätigen Amerikaner gewährleistet werden könne....
 

Outlaw
 

Die „FAZ“ – neben „Die Welt“ und „ZEIT“ – Hüterin der westlichen Wertegemeinschaft hatte am 6. April ein kleines Problem: Wie sollte das Verdikt des US-Statthalters in Bagdad, Paul Bremer, gegen den Ajatollahunteroffizier Sadr übersetzt werden. Der kundige Westernfan weiß, was den Outlaw erwartet: er ist zum Abschuss frei gegeben, gegen Kopfgeld. 

Genant, wie das Blatt nun einmal ist, entschied man sich für „Geächteter“. Das klingt irgendwie platonisch und vermeidet die Assoziationen, die sich bei „Vogelfreier“ zwangsläufig bei denjenigen eingestellt hätten, denen mittelalterliche europäische Geschichte noch präsent ist. 
Und die machen den Kern der FAZ- Leserschaft aus. 

Diese darf nun weiterhin an der Fiktion von der transatlantischen Familie festhalten: 
- Das eine Mitglied lebt teils im Mittelalter, teils im alttestamentarischen Auge um Auge, hält Menschen in Käfigen, erteilt seinen Geheimdiensten und Special Forces die Präsidiallizenz zum weltweiten Töten, lässt seine Luftwaffe hobeln, dass die Späne fallen und verbündet sich auf dem ganzen Globus mit Schlächtern der übelsten Sorte, damit dieser endlich lernt, was Demokratie und Freiheit sind; 
- das andere schämt sich, ziert sich, kritisiert ein wenig mit „eigentlich...“, weiß und verdrängt trotzdem. Einige klatschen auch Beifall und haben unendlich viel Verständnis für die Nöte und Zwänge des einsamen Weltpolizisten. Manchmal werden sie allerdings kalt erwischt, einfach abgewählt. Daran sollte sich manch „Irrer“ hierzulande gelegentlich erinnern. Sie wissen, wen ich meine, wenn Sie diese Seiten regelmäßig lesen.
Im übrigen schließe ich mich dem Direktor des Instituts an: Journalistenpack. Ausnahmen bestätigen die Regel.  

Jochen Scholz: Nach 38 Jahren als Berufsoffizier der Luftwaffe nun außenpolitischer Berater. Die letzten sechs Dienstjahre im Bundesministerium der Verteidigung im Stab des Generalinspekteurs. Davor zwölf Jahre in NATO-Gremien, sechs Jahre in NATO-Stäben.
(c)Jochen Scholz, April 2004 c/o medienanalyse-international.de