Quelle: Deutsche Welle Radio
Wortlaut der Beschwerde von Ex-Präsident Milosevic gegen seine Inhaftierung

Belgrad, den 3.4.2001 (GLAS JAVNOSTI, serb.)

(Volltext) “Der ehemalige Präsident der Bundesrepublik Jugoslawien Slobodan Milosevic hat beim Untersuchungsrichter des Bezirksgerichts (in Belgrad – MD) Beschwerde eingelegt und Haftverschonung gefordert. Den Text habe er, wie GLAS JAVNOSTI erfuhr, selbst verfasst. Er habe all denen geholfen, die es am schwersten hätten. ‚Sainovic, Kertes und Matkovic haben Geld für die SPS (Sozialistische Partei Serbiens - MD) gesammelt, ich glaube aber nicht, dass sie Geld gestohlen haben‘.

‚Laut Beschluss des Untersuchungsrichters beim Bezirksgericht in Belgrad, Aktenzeichen 318/01 vom 1.4.2001, sind auf der Grundlage von Artikel 191, Absatz 2, Punkt 1 und 2 des Strafgesetzbuches 30 Tage Haft gegen mich verhängt worden.

In dem Beschluss über die Einleitung des Verfahrens heißt es, ich hätte die höchsten Amtsträger der Bundesregierung, zuständig für Wirtschaft, den stellvertretenden Ministerpräsidenten Nikola Sainovic sowie den für Finanzen zuständigen Ministerpräsidenten Jovan Zebic und den Direktor der Bundeszollbehörde dazu angestiftet, gegen das Gesetz zu verstoßen, "anderen Nutzen zu verschaffen" und dies "von 1994 bis zum 5.10.2000".

Diese "anderen", zu deren Nutzen in dieser Zeit gehandelt wurde, sind ausschließlich unser Staat und unser Volk, die Verteidigung und Sicherheit unseres Landes und unserer Wirtschaft. Ich glaube, bei der Vernehmung durch den Untersuchungsrichter, bei der der Bezirksstaatsanwalt und mein Anwalt anwesend waren, hinreichend dargelegt zu haben (unabhängig davon, in wie weit das im Protokoll, gegen das ich keine Einwände hatte, zum Ausdruck kam), dass es bei den Gesprächen bei mir in meiner Eigenschaft als Präsident Serbiens mit den für den Wirtschaftssektor der Bundesregierung zuständigen Staatsvertretern um die erforderliche Unterstützung der wirtschaftlichen Aufgaben Serbiens ging, als damit begonnen wurde, das Antiinflationsprogramm 1994 umzusetzen, und dabei handelte es sich keinesfalls um "Anstiftung" und Amtsmissbrauch.

Bei den offiziellen Gesprächen bei mir in meiner Eigenschaft als Präsident Serbiens mit den stellvertretenden Ministerpräsidenten der Bundesregierung und anderen hohen Staatsvertretern wurde niemand angestiftet, sondern es wurden ernsthaft und verantwortungsbewusst die wichtigsten Probleme erörtert, wie das Fortbestehen des Landes unter vollständigem Embargo und bei Krieg auf der anderen Seite der Drina, bei dem wir unserem Volk mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln halfen.

Ich glaube, in all dieser Zeit haben sowohl ich als auch meine Mitarbeiter, die genannt werden, und auch die, die nicht genannt werden, alles dafür getan, um unsere Pflicht zu erfüllen. Es wurde weder diskutiert noch handelte es sich jemals darum, Gelder oder materielle Mittel an irgendwelche Einzelpersonen oder Gruppen zu leiten. Es ging vielmehr ausschließlich um Staatsgeschäfte. Das Geld, das über die Belgrader Bank in der Wirtschaft, in den schwächsten wirtschaftlichen Bereichen und sozialen Brennpunkten, in Krisenzeiten angelegt wurde, hat weder jemand gestohlen noch sich angeeignet. Es herrschte darüber auch kein Geheimnis. Es wurde denjenigen geholfen, die es am schwersten hatten, und das war meine feste Orientierung und Direktive. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass niemand privilegiert behandelt wurde.

Angaben über die für Waffen, Munition und weiteren Bedarf der Armee der Republika Srpska und der Serbischen Krajina aufgewendeten Geldmittel konnten aus Staatsinteresse, wegen des Staatsgeheimnisses, nicht im Haushaltsbericht erscheinen, da es ein öffentliches Dokument ist. Das Gleiche gilt für die Ausgaben für die Ausrüstung der Sicherheitskräfte und besonders für die Antiterror-Sondereinheiten "von der Nadel bis zur Lokomotive", von leichten Waffen und Ausrüstung bis zum Hubschrauber und anderen Mitteln, die immer noch da sind, wo sie waren, was aber nicht veröffentlicht worden ist, weil es ein Staatsgeheimnis ist, ebenso wie nicht veröffentlicht worden ist, was an die Armee der Republika Srpska ging. Meines Erachtens sollten diese Dinge auch heute noch als Staatsgeheimnis betrachtet werden, aber die Gerichtsorgane können sie auf jeden Fall überprüfen. Auch heute tragen diese Antiterroreinheiten die große Last der Sicherheitsaufgaben in Südserbien.
Indessen entsteht in dem Beschluss über die Einleitung von Ermittlungen der Eindruck, dass jemand - und in diesem Fall der Staatschef - die höchsten Funktionäre dazu angestiftet hat, etwas zu stehlen, zu veruntreuen, zu hinterziehen oder für eigene Zwecke auszugeben. Eine Formulierung lautet gar, der Zolldirektor habe auf Slobodan Milosevics Anordnung anderen Personen Gelder übergeben. Und er habe sogar beschlagnahmte Ware auf Slobodan Milosevics Anordnung willkürlich verteilt.

Hinsichtlich der Gelder für die SPS möchte ich auf die allseits bekannte Tatsache hinweisen, dass Nikola Sainovic, Dusan Matkovic, Mihalj Kertes und andere als hohe Parteivertreter Geld sammelten, und mir ist nicht bekannt, dass diese Personen irgendetwas gestohlen oder unterschlagen hätten. Das glaube ich auf keinen Fall. Geldsammeln für die Partei gehörte zu ihren rechtmäßigen Aufgaben.

Bei der Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter betonte ich, ich hätte mich in den zurückliegenden zehn Jahren nie mit Fragen der Parteifinanzierung befasst. Es wäre auch nicht logisch, wenn das in Anbetracht der enormen Staatspflichten jemand von mir verlangt hätte, und meine Parteigenossen haben das auch gar nicht von mir gefordert. Gleichzeitig betone ich, ich habe nie einen Dinar oder andere materielle Mittel der Partei oder irgendein Fahrzeug der Partei genutzt.

Bei der erwähnten Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter habe ich darauf hingewiesen, und ich möchte es wiederholen, dass ich weder direkt noch über eine andere Person Gelder für meinen persönlichen Bedarf empfangen habe. Abgesehen von meinem Gehalt hatte ich in der gesamten Amtszeit als Präsident der Republik Serbien und der Bundesrepublik Jugoslawien keine anderen Einkünfte.

Ich betone dies alles, da aus dem genannten Beschluss über die Einleitung von Ermittlungen, die auf Antrag der Bezirksstaatsanwaltschaft begonnen haben, fast der Schluss gezogen werden kann, dass die enormen Probleme des Staates, wirtschaftliche und Sicherheitsprobleme, an denen Tag und Nacht gearbeitet wurde - durch Missbrach und Unmoral gelöst worden sind.

Die Beschwerde lege ich ausschließlich aus Interesse an der Wahrheit ein. Mich stören keinerlei Ermittlungen über irgendetwas, was ich in meinem Leben getan habe, aber es stört mich schon, wenn ich wie ein Krimineller behandelt werde, weil ich für meinen Staat das Bestmögliche getan habe.

Meines Erachtens ist das Gerichtsverfahren gegen mich politischer Natur und auf die Anordnung der neuen Regierung zurückzuführen, um meine langjährige Tätigkeit zu verunglimpfen und abzuwerten, besonders weil ich mich im Interesse des Staates und des Volkes den Weltmächten widersetzt habe. Eine besondere Art, mich gering zu schätzen ist der Haftbeschluss, ‚damit ich nicht fliehe oder Zeugen beeinflusse‘. Die Haftbegründung, dass die Volkswächter beziehungsweise die Bürger, die mich unterstützen, es abgelehnt hätten, die Anordnung des Gerichts zu akzeptieren und die die Bezirksstaatsanwaltschaft anführt, entbehrt auch jeder Logik. 

In der Haftbegründung heißt es weiter, in diesem Fall sei der Betrag, durch den man sich finanziellen Nutzen verschafft habe, außerordentlich hoch. Es stellt sich lediglich die Frage für wen? Für die Armee der Republika Srpska, für die Sicherheitsorgane, für die Armee der Republik Serbische Krajina, für die Unterstützung der Menschen am anderen Ufer der Drina, für die Textilarbeiter, die Metallarbeiter und andere, die über die Belgrader Bank unter schwersten sozialen Bedingungen und während der totalen äußeren Blockade finanziert wurden.

Und schließlich - die Begründung, ich könnte Zeugen beeinflussen, ist auch nicht aufrecht zu erhalten, denn auch andere Beschuldigte können Zeugen beeinflussen, und befinden sich nicht in Haft, was ich ihnen auch nicht wünsche. Ich bin also als Einziger verhaftet worden, und das innerhalb einer genau festgesetzten Frist, am 31. März, die aus den Hauptstädten der Mächte diktiert worden ist, die die Aggression gegen unser Land verübten, was kein Geheimnis ist, denn dieses Datum stand sowohl für deren als auch für unsere Presse bereits vor Monaten fest.

Meine Einflussnahme auf die Zeugen schließt auch die Tatsache aus, dass meine Telefonaparte genauesten abgehört werden, was die Behörden auch nicht verheimlichen, und dass vor meinem Gartentor die Polizei steht. Entscheidend ist jedoch, dass die Zeugen, die die Wahrheit sagen, mich nicht belasten können, denn es gibt nichts, wofür sie mich belasten könnten. Und diejenigen, die nicht die Wahrheit sagen, könnte ich sicherlich nicht beeinflussen, auch wenn ich es wollte.

Deswegen lege ich gemäß den Rechtsmitteln, auf die vom Ermittlungsrichter hingewiesen wurde, Beschwerde gegen den Haftbeschluss ein und berufe mich dabei auf Artikel 23, Absatz 6 des Strafgesetzbuches. Ich beantrage ferner Haftverschonung und es mir zu ermöglichen, mich in Freiheit verteidigen zu können. Ich bin jederzeit bereit, vor den Justizorganen meines Landes zu erscheinen.

Ich betone, dass ich in den letzten sechs Monaten in der gesamten Presse des gegenwärtigen Regimes aller möglichen Straftaten bezichtigt und beschuldigt wurde, dass ich aber nicht geflohen bin. Nach allem, was ich getan habe, worauf ich auch stolz bin, glaube ich nicht, dass jemand wirklich denkt, dass ich es täte.

Slobodan Milosevic'" 

Andreas Hauß 2001 http://www.medienanalyse-international.de