Über die Muskeln der Friedensbewegung
...bei einem  möglichen Krieg gegen den Iran 
 Betr.: Leserbrief zu 
Eine unmoralische Kriegskoalition“, Freitag 07 2006
 

Die Friedensbewegung? 
Wer ist das? Sind es die 500 000 der ad hoc Koalition vom Februar 2003 gegen den Irakkrieg? Wo sind sie heute? Wie auch immer, die Friedensbewegung hat noch nie etwas verhindert. 

Sie ist auch gut beraten, diesen Anspruch nicht zu erheben. Denn damit führte sie die Menschen, die sich zu Recht in ihr und für sie engagieren, in die Irre. Die Friedensbewegung hat den NATO-Doppelbeschluss nicht verhindert, nicht den Jugoslawienkrieg, nicht den Irakkrieg von 2003 und nicht die völkerrechtswidrigen „Bündnisgefälligkeiten“ von Rot-Grün, sie wird auch einen möglichen Krieg gegen den Iran nicht verhindern und die Bundeskanzlerin nicht vom transatlantischen Kurs abbringen, zumal sie ja ohnehin schon in der Falle sitzt. Auch den Vietnamkrieg hat sie nicht verhindert, sondern einen Beitrag zu seiner Beendigung geleistet, einen Beitrag unter mehreren.

Wie im Artikel von Mohssen Massarrat richtig analysiert wird, ist der Iran mit seinen Öl- und Gasreserven und seinem politischen Anspruch in der Region ein gravierendes Hindernis für die Ziele, die von der US-Politik mit der sog. Greater Middle East Initiative formuliert worden sind. 

Wer sich der Mühe unterzieht, die „Autumn Lunch Speech“ von 1999 des damaligen Vorstandsvorsitzenden von Halliburton und heutigen US-Vizepräsidenten Richard Cheney zu lesen, gehalten anlässlich einer Konferenz des britischen Petroleuminstituts, kann ermessen, wie dramatisch die Lage auf dem Primärenergiesektor aus Sicht des Hegemons ist, der seine Stellung gegen aufkommende Konkurrenz verteidigen will. Und der, wie wir seit der jüngsten Rede zur Lage der Nation nun amtlich wissen, ein Öl-Junky ist. Wenn die herrschenden Neocons sich entschließen sollten, das Nuklearprogramm Irans zu zerstören, werden sie es tun, auch gegen Protest.

Denn was die Erdölgeologen von ASPO seit Jahr und Tag prognostizieren, wird inzwischen auch von den großen Sieben Schwestern, den Ölmultis, nicht mehr geleugnet: Die Welt produziert am Limit, und die Produktionskapazitäten sind nicht mehr nennenswert zu steigern, auf Dauer nicht, während die Nachfrage rapide steigt (Vgl Financial Times Deutschland vom 7. 2. 2006, „Bis zum letzten Tropfen“). Diese Situation bildet den Dramaturgiehintergrund in der Iranfrage, aber auch in anderen Regionen der Welt, die noch über nennenswerte Öl- und Gasvorkommen verfügen. Wir erleben das gerade im Sudan. 

Angesichts dieser Lage wäre es vermessen, die Friedensbewegung mit dem im Beitrag formulierten Anspruch zu mobilisieren. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Sie ist vielleicht wichtiger als je zuvor. Aber sie muss sich auf das Mach- und Erreichbare beschränken, national wie international. Konkret: 
Aufklären, versuchen, durch Öffentlichkeit Druck auf die jeweils eigene Regierung auszuüben und ihre personelle Basis erweitern. Das ist schwer genug zu erreichen. Erinnern wir uns: die Deutschen waren zwar mit überwältigender Mehrheit gegen den Irakkrieg. Gegen eine immer offener für globale Wirtschaftsinteressen eingesetzte Bundeswehr gibt es gleichwohl kaum Protest. Schließlich sei vor einer weiteren Fehleinschätzung gewarnt. Besonders amerikanische Friedensfreunde neigen häufig dazu, die Demokratische Partei als quasi stille Teilhaber der Friedensbewegung anzusehen. Das ist ein furchtbarer Irrtum. Die außenpolitischen Ziele der Demokraten sind Ausdruck derselben Interessenlage. Sie sind lediglich im Ton etwas freundlicher und vermeiden nach Möglichkeit die offensichtlichen Brutalitäten. Ihre Sicherheitsstrategie ist beim „Progressive Policy Institute“ nachzulesen. 

Dort befindet sich der bemerkenswerte Vorwurf an die Bush-Administration, sie habe die Verbündeten vor den Kopf gestoßen, obwohl man sie doch so nötig habe, wie selten zuvor. Jürgen Elsässer hat beschrieben, wie der Dschihad nach Europa kam. In den entscheidenden Jahren stellten die Demokraten den Präsidenten.

Jochen Scholz
Jülicher Ring 95
53913 Swisttal