Über historische Momente 
Sie haben es so an sich, selten als solche erkannt zu werden, wenn die handelnden Personen es nicht darauf anlegen. 
Der 9. Juli 2001 ist so ein Moment. 

Es erklärte ein sozialdemokratischer deutscher Kanzler (* s.u.), er beabsichtige in den Krieg zu ziehen, zur Not auch mit nur einfacher Mehrheit des Reichs ... Bundestages. 
Ohne Zustimmung der UNO und ihres Sicherheitsrats. (Liegt denn ein Hilfsersuchen des ausgebremsten Mazedoniens vor?** s.u.) 
Aufgrund einer behaupteten „Verpflichtung“ Deutschlands. (Wem gegenüber? Wer ist der deutsche Souverän? Was sagt das Grundgesetz?) 

Es handle sich doch nur um die UCK-Entwaffnung, nicht um einen Krieg. Früher waren es jeweils auch nur „Expeditionen“, „Strafaktionen“, „Blitzkriege“ - und neuerdings „Luftschläge“ bzw. „humanitäre Aktionen“. Die Phantasie in den Bezeichnungen ist grenzenlos, die Geschichtsbücher sind jedoch voll davon, wie daraus veritable Kriege wurden. Auch in Vietnam bestand das „Engagement“ der USA zunächst aus wenigen „Militärberatern“, später waren es eine halbe Million Soldaten. Der „Feldzug“ gegen Polen 1939 war kurz, die Folgen währten lang.

Diese „Expedition“ wird nur 30 Tage dauern. Oder länger. (... wie Scharping deutlich sagte.)
Es werden 4 Kompanien gestellt, also so etwa 400 Mann. Oder mehr.
Geld wird dasein, wenn es gebraucht wird. Aber sicher, wir haben es ja.

Zum Thema Geld. Kennen Sie die Namen Albrecht, Antrick, Bock, Geyer, Haase, Henke, Herzfeld, Kunert, Ledebour, Lensch, Liebknecht, Peirotes, Rühle, Vogtherr? Das sind die Patrioten der SPD, die 1914 gegen die Kriegskredite stimmten. Die wenigen, die klaren Kopf bewahrten und den 1. Weltkrieg und das kommende Elend verhindern wollten. Die SPD-Mehrheit kippte pro-Krieg.
Im 2. Weltkrieg gab es nach dem Versagen der SPD in der Weimarer Republik keine SPD mehr, die Hitler hätte stoppen können. Danach gab es einige Jahre scharfen Protest gegen die Adenauersche Wiederbewaffnung. Und nun ist es ein SPD-Kanzler, der sich nicht einmal den Anschein gibt, möglichst viel Zustimmung zu seinen Kriegsabenteuern erlangen zu wollen.

Im 1. Weltkrieg hieß es noch: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche“.
Im 2. Weltkrieg brüllte man „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“.
50 Jahre Bundesrepublik, 40 Jahre davon von der Existenz der DDR begleitet, bedeuteten 50 Jahre Frieden auf dem breitesten denkbaren Konsens im Bundestag.
Noch kaschiert die CDU ihre Ablehnung des Balkanabenteuers mit dem Verweis auf die Unterfinanzierung der Bundeswehr. Die FDP verweigerte die Zustimmung zu weiterer KFOR-Beteiligung ebenfalls mit heute schon vergessenen Pseudoargumenten.
Fakt ist: rotgrün steht allein da und zieht etwas durch, was sich die CDU in dieser Bewußtheit /Besessenheit von Macht nie getraut hätte. 

Diese SPD ist eine Schande für Deutschland. Wie oft muß die Sozialdemokratie vor historischen Aufgaben noch versagen, bis das Wahlvolk erkennt, daß die sog. „Sozis“ auf die Sondermülldeponie der Geschichte gehören? 

Eins noch: mit einer 2/3-Mehrheit wird ein solcher "Einsatz" natürlich weder legaler noch sinnvoller. Faszinierend ist über das Machtverhalten Schröders hinaus ja auch das allgemeine Schweigen in Politik und Medien über Alternativen für Mazedonien. Ich deute nur kurz an, was möglich wäre: endlich Bewachung der Grenze durch die KFOR entsprechend den Verpflichtungen aus dem 1244-Abkommen, Verhaftung der bekannten Terroristen und Überstellung an die mazedonischen Behörden, Verhaftung der verantwortlichen US-Armeeoffiziere, die die UCK ausrüsteten und anführten, Wirtschaftshilfe für Mazedonien ...

 
* Da der Link zu BILD-online inzwischen "brach" hier behelfsweise der Text aus BILD-online, 9.7.2001  Interview mit Schröder, Auszug

...BILD: Die Bundesregierung ist bereit zu einem weiteren Bundeswehreinsatz auf dem Balkan. Ist für eine Mazedonien-Mission ü;berhaupt Geld da? 

Schröder: Wenn der Bundestag einen solchen Einsatz beschließt, wird der Bundesverteidigungsminister über das notwendige Geld verfügen, um ihn auch zu finanzieren... 

BILD: ...aber die Union will nur zustimmen, wenn mehr Geld eingeplant wird. Werden sie die Soldaten notfalls auch gegen die Stimmen der Union in einen gefährlichen Einsatz schicken?

Schröder: Ich hoffe, dass die Union genügend Einsicht besitzt und sich ihrer internationalen Verantwortung stellt. CDU und CSU müssen einsehen, dass es in dieser Frage nicht um eine Verpflichtung der Regierung, sondern Deutschlands geht.

BILD: Und wenn nicht?

Schröder: Dann wird die Regierung, sollte es zu einem NATO-Einsatz in Mazedonien kommen, gestützt auf die Mehrheit im Parlament ihre Pflicht tun. ...
 
 
 

** In der Zwischenzeit ist klar, daß die mazedonische Regierung angesichts der Pistole auf der Brust darum "bat", fremde Truppen stationieren zu dürfen. Andernfalls - siehe z.B. Afghanistan - wird eben in Bonn auch mal eine andere Regierung gebildet.


Dieselbe Machart, Jahre später:
Beck: "Ich glaube es nicht und man kann den Kollegen im Bundestag, die so denken nur sagen, dass in diesen Bereichen, um die es hier geht, ich zumindest keine Gewissensentscheidung erkennen kann. Das sind Abwägungen, die kann man unterschiedlich treffen, aber wenn der Parteitag eine entsprechende Entscheidung in der Sache getroffen hat, dann erwarte ich von denjenigen, die auf unseren Listen in den Bundestag gewählt worden sind, dass sie auch zu diesen Entscheidungen der Partei stehen." 
Wie gut, dass Herr Beck zwischen Gewissenssntscheidungen und gewissenlosen Entscheidungen klar trennen kann, und wie er das Grundgesetz in dieser Hinsicht interpretiert. Artikel 38 GG sagt ausdrücklich, die Abgeordneten seien Weisungen nicht unterworfen und NUR ihrem Gewissen unterworfen. JEDE Entscheidung ist also eine, die der Abgeordnete mit seinem Gewissen abmachen muss.
So auch die "Abwägungen, die ... man unterschiedlich treffen kann", ob z.B. ein Arbeitsloser diesen Betrag oder jenen Betrag erhält. Da sind auch 50 Euro Differenz eine Frage des Gewissens.
© Andreas Hauß, Juli 2001, http://www.medienanalyse-international.de