Jochen Scholz
10. April 2003
Nach der Brüskierung der Vereinten Nationen: wie
geht es weiter
und
Das Nein der Bundesregierung zum Irakkrieg oder die
Kluft zwischen Worten und Taten im Lichte von Grundgesetz und Völkerrecht
„Dieser Krieg ist ein Akt der freien Wahl“
Der demokratische Senator für West Virginia, Robert C.Byrd, am
19. März 2003
Worum geht es in diesem Krieg? Ohne die Klärung dieser Frage
verfängt sich jeder Beobachter des Geschehens in den Fallstricken
der Propaganda – wie noch in jedem Krieg der Geschichte. Worum geht es
also?
Bereits vor zwölf Jahren verfassten Mitglieder der damaligen
Regierung Bush im Pentagon unter Verteidigungsminister Cheney, dem heutigen
Vizepräsidenten, ein Strategiepapier, das unter der Nachfolgeregierung
Clinton in den Schubladen verschwand.
Der Autor: Paul Wolfowitz, heute stellvertretender Verteidigungsminister.
Der Stichwortgeber: Richard Perle, damals wie heute einer der einflussreichsten
außenpolitischen Vordenker in den USA. Die Botschaft: Die Vereinigten
Staaten würden es niemandem erlauben, sie mit den zerstörerischsten
Waffen zu bedrohen. Man solle militärisch zuschlagen, bevor andere
Regime in der Lage seien, die USA zu bedrohen. Unter dem Schlüsselbegriff
„Präventive Selbstverteidigung“ fanden diese Kerngedanken Eingang
in die 2002 vorgelegte Nationale Sicherheitsstrategie der USA, die darauf
abzielt, keine Staatenkonstellation militärisch auch nur annähernd
so stark werden zu lassen, wie die Vereinigten Staaten.
Der Irak soll der erste „Schurkenstaat“ sein, an dem die neue Doktrin
exemplarisch exekutiert wird, als Warnung und abschreckendes Beispiel für
die übrigen Verdächtigen in der Welt: Iran, Syrien, die als nächste
auf der Abschussliste stehen. Siehe dazu das Interview in der „Welt am
Sonntag“ v. 9. Februar 2003 mit Wesley Clark, dem ehemaligen Oberbefehlshaber
der NATO in Europa.
Die amerikanische Sicherheitsdoktrin ist ein glatter Bruch des Völkerrechts,
weil sie gegen das Gewaltverbot der Charta der Vereinten Nationen (Artikel
2 Absatz 4) verstößt. Richard Perle stellt in den Mittelpunkt
seiner Argumentation die nationalen amerikanischen Interessen. Er will
die UNO nur dann einbinden, wenn sichergestellt ist, dass sie im US-Interesse
entscheiden und handeln. Es geht den USA nicht darum, die – sofern noch
vorhanden – Massenvernichtungswaffen des Irak zu vernichten. Sonst hätte
man den Blix-Plänen zustimmen müssen, mit einem verstärkten
Inspektionsregime einige weitere Monate auf dem seit November 2002 erfolgreichen
Weg weiter zu machen. Es geht um einen Regimewechsel im Irak.
Es gehe um die „Neuordnung“ der gesamten Region, sagt Präsident
Bush, um „Demokratisierung“. Die Vereinigten Staaten hatten jedoch noch
nie Probleme damit, sich mit verbrecherischen oder undemokratischen Regimen
zu verbünden, wenn es ihren Interessen nutzte. Die Beispiele von Lateinamerika
über Europa bis Asien sind Legion. Machen wir also den Vorhang auf
und geben wir den Blick frei auf die eigentlichen Motive für diesen
Krieg.
Die Region vom Nahen/Mittleren Osten bis nach Zentralasien ist für
die USA die wichtigste geostrategische Region der Welt, weil hier der Schmierstoff
aller Volkswirtschaften liegt: Öl und Gas. Der Irak verfügt über
die zweitgrößten Erdölvorkommen der Welt, und das in bester
Qualität. Die Konkurrenz ist groß: Russland, China, Indien,
Pakistan, die EU. Wer bestimmt und kontrolliert, wer wie viel und zu welchen
Preisen erhält, kann das Spiel kontrollieren. Wer das Spiel nicht
kontrolliert, kann den Weltmachtanspruch aufgeben. „Teile und herrsche“
ist das Motto, multilaterale Strukturen innerhalb des Regelwerks der Vereinten
Nationen sind dabei störend. Aus der – derzeitigen - Sicht der
USA konnte es also keine Lösung des Irakproblems geben, die nicht
einen Regimewechsel zum Ziel gehabt hätte. Dies ist aber von außen
nur mit militärischen Mitteln zu erreichen, Hans Blix mit seinen Inspektoren
hätte da nur gestört.
Der Sicherheitsrat hat sich diesem Ziel verweigert und sich nicht
zum Erfüllungsgehilfen nationaler US-Politik machen lassen. Die Vereinigten
Staaten von Nordamerika haben in richtiger Einschätzung der Mehrheitsverhältnisse
des Gremiums zusammen mit Großbritannien und Spanien darauf verzichtet,
eine weitere Irak-Resolution im Sicherheitsrat der VN einzubringen, weil
wegen deren Kriegsautomatismus keine Mehrheit zu erwarten war.
Die Erpressungsversuche der letzten Wochen gegenüber den nichtständigen
Mitgliedern des Sicherheitsrates waren trotz deren wirtschaftlicher Abhängigkeit
von den Vereinigten Staaten nicht erfolgreich. Dies ist ein ermutigendes
Zeichen, unbeschadet der weltweiten Bestürzung über die imperiale
Arroganz der US-Regierung und den Einfluss der zur Zeit offensichtlich
mit unkontrollierter Machtfülle agierenden, kleinen neokonservativen
Clique um Rumsfeld und Cheney, die ihre politischen Vorstellungen mit dem
nunmehr begonnenen Krieg gegen den Irak umsetzen wollen. Die Stimmung im
Sicherheitsrat und unter den UNO-Mitgliedern zeigt, dass die amerikanische
Regierung den Bogen bei weitem überspannt hat. Sie ist unter den Staaten
weltweit isoliert und befindet sich im Widerspruch zum überwiegendenTeil
der Weltbevölkerung. Ihr Verhalten als UN-Gründungsmitglied ist
– um den innerstaatlichen Vergleich zu ziehen – einem Staatsstreich gleich
zu setzen.
Die Vereinten Nationen und die mit ihrem Regelwerk am Ende des Zweiten
Weltkrieges geschaffene, gerade auch von den USA gewollte, internationale
Rechtsordnung stehen vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte.
Gleichzeitig auch an einem Scheideweg: entweder es gelingt dem Sicherheitsrat
die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen
Sicherheit (Artikel 24 Absatz 1 der Charta der VN) zurück zu gewinnen,
oder das Erbe der Welt wird die globale Gesetzlosigkeit sein. Die künftigen
Gefahren gehen in diesem Kontext wahrscheinlich weniger von den Vereinigten
Staaten aus, weil die zweitgrößte Demokratie der Welt genügend
politische Potenz, Vitalität und Regenerationsfähigkeit hat,
um diese Phase ihres weltpolitischen Agierens zu überwinden. Nicht
vergessen werden darf, dass es besonders Amerika war, das sich fast ein
Jahrhundert lang für die Förderung und Entwicklung des Völkerrechts
eingesetzt hat.
Die Bushs kommen und gehen,
bauen wir auf das bessere Amerika!
Vielmehr sind künftige Konstellationen denkbar, in denen sich
andere Staaten auf den Präzedenzfall Irak berufen könnten, die
sich weder der Demokratie verpflichtet fühlen, noch über demokratische
Kontrollinstrumente und Machtwechselmechanismen verfügen.
Deswegen gilt es für die Vereinten Nationen, die Schocklähmung
rasch zu überwinden, die Vereinigten Staaten ins Boot zurück
zu holen und das Gesetz des Handelns wieder zu erlangen. Dazu sind sie
nach der Charta verpflichtet. Hierzu sind alle ihre Mitglieder aufgerufen,
weil die mit der Charta kodifizierten fundamentalen Prinzipien des Völkerrechts
der Kitt sind, der die Staatenwelt im Innersten zusammenhält. Es wäre
fatal, wenn die VN sich mit der Rolle abfänden, die ihnen von der
amerikanischen Regierung und Teilen des politischen Spektrums in Deutschland
im Irakkontext zugewiesen worden ist: entmachtet als Hüterin des Weltfriedens,
aber herzlich willkommen als Reparaturbetrieb nach dem Krieg.
Der Sicherheitsrat ist nach dem Entschluss der Vereinigten Staaten,
den Irak aus eigener Machtvollkommenheit anzugreifen, mit der Angelegenheit
vorläufig nicht mehr befasst.
Nach Art. 10 und 11 der Charta der VN ist die Generalversammlung
der VN nunmehr berechtigt und von der Bedeutung der Angelegenheit her verpflichtet,
sich der Sache anzunehmen. Wenn die Umstände es erfordern,
kann sie zu außerordentlichen Tagungen zusammentreten (Artikel 20
der Charta). Wer wollte bestreiten, dass diese Umstände angesichts
der massiven Störung des Weltfriedens und der internationalen Ordnung
sowie der zu erwartenden unschuldigen Opfer eines Krieges gegen den Irak
gegeben sind! Der Bundesregierung kommt hierbei eine besondere Verantwortung
zu, weil sie – wenn auch wenig konsequent – eine militärische Lösung
seit Sommer 2002 abgelehnt hat, und weil Deutschland für zwei Jahre
Mitglied des Sicherheitsrates ist. Die Glaubwürdigkeit einer deutschen
Initiative zuhause und vor der Weltöffentlichkeit ist jedoch
an folgende, unabdingbare Voraussetzungen gebunden:
o Die Bundesregierung muss sich endlich nicht
nur intern zu einer eindeutigen Bewertung des amerikanischen Vorgehens
durchringen, anstatt ihre Zusagen an die USA zum Maßstab ihres Handelns
zu machen und ängstlich auf die Folterwerkzeuge des mächtigsten
Verbündeten zu starren.
o Sie muss aus dieser Bewertung die Konsequenzen
hinsichtlich ihrer direkten und indirekten Beteiligung am nationalen Alleingang
der USA ziehen
o Sie muss endlich auf den Boden des Grundgesetzes
zurückkehren, der ihr Handeln an Recht und Gesetz bindet (Artikel
20 Absatz 3 Grundgesetz), anstatt politische Entscheidungen am Recht vorbei
zu treffen, sich wider besseres Wissen mit wolkigen Formulierungen von
Bündnisverpflichtungen zu legitimieren und
o Sie darf keinen Zweifel daran lassen, dass
ihre Initiative auf die Wiedereinbindung der Vereinigten Staaten in das
Gefüge der VN gerichtet ist.
Die überwältigende Mehrheit der Völkerrechtler außerhalb
der USA beurteilt das Vorgehen der amerikanischen Regierung wie folgt:
o Der Aufbau der militärischen „Drohkulisse“
war ein Verstoß gegen Artikel 2 Absatz 4 der Charta der VN, der bereits
jede gegen einen Staat gerichtete Androhung von Gewalt durch einen anderen
Staat verbietet. Die USA handelten jedoch ohne Ermächtigung des Sicherheitsrates,
der als einziger zu einer solchen Maßnahme nach Kapitel VII der Charta
greifen darf.
o Die VN-SR Resolution 1441 vom 8. November
2002 droht dem Irak mit „ernsthaften Konsequenzen“, wenn er weiterhin die
Abrüstungsauflagen der VN-SR Resolution 687 vom 3. April 1991 nicht
erfülle. Eine Ermächtigung zu militärischen Maßnahmen
ist in ihr nicht erhalten. Das ergibt sich bereits aus der zitierten Formulierung.
Zudem setzten die Vetomächte Frankreich, Russland und China durch,
dass hierzu eine weitere Resolution mit einer ausdrücklichen Ermächtigung
zur militärischen Gewaltanwendung verabschiedet werden müsse,
wie das in Kapitel VII der Charta vorgesehen ist, wenn friedliche Maßnahmen
zur Abwendung der Gefahr nicht ausreichen. Gerade letztere wurden jedoch
vom Chef der VN-Kontrolleure, Hans Blix, noch in der Sitzung des
Sicherheitsrates am 19. März 2003 als erfolgversprechend gewertet.
o Die USA können sich nicht auf das Recht
zur kollektiven oder individuellen Selbstverteidigung berufen, weil die
Voraussetzungen nach Artikel 51 der Charta nicht vorliegen. Weder verfügt
der Irak über die erforderlichen Waffen, die USA anzugreifen, noch
stand vor Kriegsbeginn ein solcher Angriff unmittelbar bevor.
o Kriege, die geführt werden, um einen
Regierungswechsel einzuleiten, ein anderes politisches System zu etablieren
oder eine Region neu zu ordnen, sind von der Charta der VN nicht gedeckt.
o Der Krieg gegen den Irak unter Führung
der USA ist völkerrechtswidrig und damit ein Verbrechen.
o Der Irak kann sich auf das Selbstverteidigungsrecht
nach Artikel 51 der Charta berufen.
o Das Gewaltverbot des Artikel 2 Absatz 4 der
Charta ist nicht interpretationsbedürftig, ebenso wenig, wie das Verbot,
eine rote Ampel zu überfahren. Es bedarf also keiner weiteren Instanz,
um die Völkerrechtswidrigkeit des amerikanischen Vorgehens festzustellen,
da die beiden einzig zulässigen Ausnahmen nicht vorliegen: Das Recht
auf Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta oder ein Beschluss des
Sicherheitsrates nach Kapitel VII der Charta.
Die von der Bundesregierung anlässlich des NATO-Gipfels in Prag
im November 2002 gewährten Überflug- und Nutzungsrechte für
die USA und Großbritannien, die Entsendung deutscher Soldaten als
Teil der multinationalen Crews der unter NATO-Kommando stehenden fliegenden
Luftkriegsgefechtsstände AWACS, die Belassung und personelle Verstärkung
ABC-Abwehreinheit in Kuwait sowie die Bereitstellung von über 3000
Soldaten zur Bewachung/Sicherung militärischer Einrichtungen der USA
auf deutschem Territorium ist in der Sache sowie unter völker- und
verfassungsrechtlichen Aspekten wie folgt zu bewerten:
o Für den Aufbau der - unter Bruch von
Artikel 2 Absatz 4 der Charta der VN - militärischen „Drohkulisse“
benutzten die Vereinigten Staaten den militärischen Teil des Rhein-Main
Flughafens sowie die Flugplätze Ramstein und Spangdahlem und führten
dieses militärische Vorhaben u.a. aus ihrem nationalen europäischen
Hauptquartier EUCOM in Stuttgart-Vaihingen. Nach dem Zusatzabkommen zum
NATO-Truppenstatut (ZA-NTS)von 1994 haben die USA in den ihnen überlassenen
Liegenschaften und dem deutschen Luftraum nur insoweit eine generell zugestandene
Bewegungsfreiheit, als sie zur Erfüllung ihrer Verteidigungsaufgaben
nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrages erforderlich ist. Alle darüber
hinausgehenden Aktivitäten bedürfen der Genehmigung durch die
Bundesregierung. Die seit Sommer 2002 betriebenen Vorbereitungen, insbesondere
über das Herz der US-Logistik in Europa, Ramstein, waren ein nationales
Vorhaben der USA. Sie waren vom ZA-NTS nicht gedeckt und gleichzeitig völkerrechtlich
die Vorbereitung eines Angriffskrieges, weil sie ohne Autorisierung des
VN-Sicherheitsrates durchgeführt wurden. Die Bundesregierung hat dem
zunächst tatenlos zugesehen, versucht, die Tatsachen vor der Öffentlichkeit
geheim zu halten und schließlich beim NATO-Gipfel im November 2002
die volle Bewegungsfreiheit zugesagt, ohne sie an völker- oder verfassungsrechtliche
Bedingungen zu knüpfen. Sie hat dies mit „Bündnisverpflichtungen“
begründet und tut dies bis heute.
Es gibt jedoch für den vorliegenden Fall keine Bündnisverpflichtungen,
weder, wie oben ausgeführt, nach dem ZA-NTS, noch nach dem Nordatlantikvertrag,
da der Bündnisfall nach dessen Artikel 5 im Hinblick auf den Irak
nicht festgestellt wurde, seine Mitglieder nach Artikel 1 zur friedlichen
Streitbeilegung verpflichtet sind, und die Verpflichtungen gegenüber
der Charta der VN nach Artikel 7 Vorrang gegenüber den Verpflichtungen
aus dem NATO-Vertrag haben.
Die Bundesregierung kann sich aber nicht aus dem normativen Nichts
auf Bündnisverpflichtungen berufen. Bei völkerrechtlichen Verbrechen
eines Bündnispartners gibt es sie ohnehin nicht. Dies ergibt sich
aus Artikel 25 GG, nach dem die allgemeinen Regeln des Völkerrechts
Bestandteil des Bundesrechts sind, den Gesetzen vorgehen und Rechte und
Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes erzeugen,
sowie aus Artikel 26 GG, der die Vorbereitung – und damit nach den Gesetzen
der Logik erst recht seine Unterstützung oder Führung – verbietet.
o Die Entsendung deutscher Soldaten mit den
AWACS-Maschinen in die Türkei ist weder eine Übung noch ein humanitärer
Hilfseinsatz, etwa im Rahmen der Katastrophenhilfe. Militärisch gesehen
ist die Maßnahme die Absicherung eines Aufmarschgebietes aus der
Luft, weil die Türkei Reaktionen des Irak gegen von ihrem Territorium
aus operierende US-Einheiten befürchtet. Damit handelt es sich um
einen Einsatz, der unter dem konstitutiven Vorbehalt eines Parlamentsbeschlusses
steht (AWACS-Urteil des BVfG von 1994). Irrelevant für die Beurteilung,
worum es sich bei der Tätigkeit der deutschen Besatzungsmitglieder
handelt, sind deswegen Fragen des konkreten Auftrags der Soldaten,
(Überwachungsfunktion oder Feuerleitfunktion), Fragen nach dem
Unterstellungsverhältnis oder danach, an wen die gesammelten Daten
zu welchem Zweck weiter gegeben werden. Im übrigen stellt der Schutz
eines Bündnispartners vor einem Angreifer, der das Recht zur Selbstverteidigung
nach Artikel 51 der Charta gegen einen völkerrechtswidrigen Angriff
durch einen anderen NATO-Partner in Anspruch nehmen darf, den Zweck des
Verteidigungsbündnisses NATO auf den Kopf.
Völkerrechtlich ist der AWACS-Einsatz Beihilfe
zum Angriffskrieg. Auch innerstaatlich hat dieser Einsatz keine
Rechtsgrundlage, weil kein Mandat des Bundestages vorliegt. Dies gilt auch
nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im Eilantragsverfahren
der FDP-Bundestagsfraktion, weil das Gericht in der Sache nicht entschieden
und seine diesbezüglichen Zweifel geäußert hat.
o Seit Kriegsbeginn unterliegen die deutschen
Soldaten, die amerikanische Einrichtungen in Deutschland bewachen, völkerrechtlich
dem Kombattantenstatus. Damit erhalten die Soldaten
einen fundamental anderen Status, als z. B. die Polizei. Sie bewachen nicht
mehr nur auf der Grundlage des „Gesetzes zur Anwendung unmittelbaren Zwangs“,
der sie dazu verpflichtet, die Verhältnismäßigkeit der
Mittel zu beachten, wie dies für alle Wachsoldaten im Frieden gilt.
Vielmehr gehen sie auch zu der nach militärischen Regeln ablaufenden
Sicherung und ggf. Verteidigung über, weil mit Gegenmaßnahmen
des Irak gerechnet werden muss. Damit sind sie aktive Teilnehmer an einem
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Darüber hinaus entlasten
sie die US-Streitkräfte und stärken deren Kampfkraft, weil diese
damit mehr Soldaten für den Krieg gegen den Irak zur Verfügung
haben.
o Die Bundesregierung hat die Zahl der ABC-Abwehrsoldaten
in Kuwait auf rund 250 verstärkt, weil die ebenfalls in Kuwait stationierten
tschechischen ABC-Abwehreinheiten mit den US-Truppen in den Irak einmarschieren.
Damit leistet die Bundesregierung einen Beitrag zur Verstärkung
der Kampfkraft der Invasionsarmee, unterstützt also den völkerrechtswidrigen
Krieg aktiv. Das Aufklären der vom Irak auf Kuwait abgefeuerten Raketen
hat nichts mit dem „Antiterrorkampf zu tun, der vom Deutschen Bundestag
im Rahmen von „Enduring Freedom“am 15. November 2002 mandatiert wurde.
Vielmehr handelt der Irak in Wahrnehmung seines Rechts auf Selbstverteidigung
nach Artikel 51 der Charta der VN. Bundesverteidigungsminister Struck als
„Oberbefehlshaber des US-Ersatzheeres“ auf deutschem Boden?
o Im Kommentar Randelzhofer in Simma (Herausgeber),
Charta der Vereinten Nationen, Artikel 51, Rn 28 ist folgendes zu lesen:
„Nach 3 (f) der Aggressionsdefinition gilt als Angriffshandlung ‚die Handlung
eines Staates, die in der Duldung besteht, dass sein Hoheitsgebiet, das
er einem anderen Staat zur Verfügung gestellt hat, von diesem anderen
dazu benutzt wird, eine Angriffshandlung gegen einen Dritten zu begehen.’
Diese Bestimmung betrifft nur die freiwillige Überlassung von Staatsgebiet
an einen anderen Staat und erfasst nicht den Fall der bloßen Nichtverhinderung
von Angriffshandlungen eines anderen Staates auf dem eigenen Territorium.
Nur im ersten Fall wird dem das Territorium zur Verfügung stellenden
Staat neben dem aktiv agierenden Staat die Angriffshandlung als eigene
zugerechnet.“
o Im Klartext heißt das, bezogen auf
die Gewährung bedingungsloser Bewegungsfreiheit durch die Bundesregierung,
die ausdrücklich auch für den Fall zugesagt wurde, dass kein
Mandat des VN-Sicherheitsrats vorliegt: Deutschland ist rechtlich
dem Aggressor USA gleich gestellt.
o Das Soldatengesetz bestimmt in Paragraph
10 (Pflichten des Vorgesetzten) Absatz 4: „Er darf Befehle nur zu dienstlichen
Zwecken und unter Beachtung der Regeln des Völkerrechts, der Gesetze
und der Dienstvorschriften erteilen.“ Paragraph 11 (Gehorsam) Absatz 2
bestimmt für den Soldaten: „Ein Befehl darf nicht befolgt werden,
wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgt der Untergebene
den Befehl trotzdem, so trifft ihn eine Schuld nur, wenn er erkennt oder
wenn es nach den ihm bekannten Umständen offensichtlich ist, dass
dadurch eine Straftat begangen wird.“
Diese verfassungswidrige Situation muss von der Bundesregierung sofort
beendet werden. Der Bundeskanzler kann nicht auf der einen Seite die zu
erwartenden, Tausenden von unschuldigen Opfern des Krieges gegen den Irak
vor dem Deutschen Bundestag beklagen, aber gleichzeitig durch sein Handeln
aktiv und passiv genau dies mit herbeiführen.
Deswegen wird die Bundesregierung aufgefordert, ihren Verpflichtungen
aus der Präambel des Grundgesetzes nachzukommen, dem Frieden der Welt
zu dienen, indem sie in einem ersten Schritt alle gegenüber den USA
und anderen Staaten gemachte Zusagen für diesen Krieg
unverzüglich widerruft. Damit würde sie nicht zuletzt
eine für viele Soldaten der Bundeswehr als bedrückend empfundene
Situation beenden.
Die Vereinten Nationen sind ohne die volle Unterstützung
durch die USA nicht wirklich handlungsfähig. Umgekehrt überschätzen
sich die USA, wenn sie glauben, auf Dauer ohne Unterstützung durch
die Vereinten Nationen handeln zu können. Die Bundesregierung wird
daher aufgefordert, in Wahrnehmung ihrer Verantwortung als derzeitiges
Mitglied des Sicherheitsrates die Initiative zur Einberufung einer außerordentlichen
Generalversammlung der Vereinten Nationen zu ergreifen und dort einen Resolutionsentwurf
einzubringen mit folgender Zielsetzung:
o Übernahme der Verantwortung der Generalversammlung
für die Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen
Sicherheit, die durch das einseitige Vorgehen der US-Regierung bedroht
sind so lang, bis der VN-Sicherheitsrat seinen Pflichten aus Artikel 24
der Charta wieder nachkommt.
o Unverzügliche Beendigung des Krieges
gegen den Irak.
o Verpflichtung des Generalsekretärs auf
eine aktivere Rolle im Prozess der Wiedergewinnung der Handlungshoheit
der VN als bisher.
o Deutliche Verurteilung der „Koalition der
Willigen“ als Brecher des kodifizierten Völkerrechts.
o Verpflichtung der „Koalition der Willigen“
zur Rückkehr in die Strukturen und Mechanismen, die in der Charta
für die Streitbeilegung völkerrechtlich als einzige zugelassen
sind.
o Einleitung eines Verfahrens vor dem Internationalen
Gerichtshof, um den Rechtsfrieden wieder herzustellen. |