Johnstone
Inoffizielle Übersetzung aus dem Englischen von (c)Matthias Gockel,  mailto:gomatt@gmx.net
Eine Besprechung der zwei OSZE-Berichte
"Kosovo/Kosova: As Seen, As Told",
von Diana Johnstone (Februar 2000)
 

1.  DIE OSZE UNTER DEM EINFLUSS DER USA
 Paradoxerweise spielte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) eine wichtige Rolle bei der ideologischen Rechtfertigung des NATO-Kriegs gegen Jugoslawien.  Paradoxerweise: denn viele Menschen hegten am Ende des Kalten Krieges die Hoffnung, die OSZE könne als zivile Alternative zu Militärbündnissen wie der NATO eine friedliche Zukunft in Europa garantieren.  Die Einordnung der OSZE in das Kriegsprogramm der NATO verdeutlicht den überwältigenden Einfluss der USA nach dem Ende des Kalten Krieges, insbesondere die Fähigkeit, alle wesentlichen internationalen Organisationen zugunsten der eigenen politischen Handlungsmöglichkeiten zu manipulieren.  Die Manipulation der OSZE durch die USA überschritt im Oktober 1998 eine neue Schwelle, als Washington seinen früheren Botschafter in El Salvador, William Walker, zum Leiter der "Kosovo-Überwachungs-Mission" (Kosovo Verification Mission = KVM) bestimmte, bevor diese Mission von der OSZE offiziell eingerichtet worden war.  Die OSZE-KVM sollte die "Befolgung" eines Abkommens "verifizieren", dass dem jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic vom US-Beauftragten Richard Holbrooke unter Androhung von NATO-Bombardierungen aufgenötigt wurde.
 Die wirklichen Ziele der KVM waren von Beginn an zweideutig.  Viele Europäer hofften, dass die Mission zur Beruhigung der Situation beitragen und einer friedlich verhandelten Lösung des Kosovo-Probems förderlich sein könnte.  Die USA und ihr Juniorpartner Grossbritannien benutzten die Mission jedoch, um den Krieg vorzubereiten; sowohl militärisch, durch die Zusammenstellung von Informationen über die jugoslawische Verteidigungsanlagen sowie durch Verbindungen zu örtlichen Mitgliedern der "Kosovo-Befreiungs-Armee" (UCK), als auch psychologisch, durch die Erzeugung des öffentlichen Eindrucks einer letzten verzweifelten Friedensbemühung, die jedoch von "serbischen Greueltaten" durchkreuzt wurde.  Die UCK, durch keinerlei Unterschrift zu irgendetwas verpflichtet, besass währenddessen die Freiheit, ihre Gegener anzugreifen, wohlwissend, dass eventuelle serbische Vergeltungsmassnahmen als einseitige Verletzungen des Waffenstillstands verurteilt würden.
 Nach einem langsamen Beginn verfügte die KVM im Januar 1999 lediglich über 600 von insgesamt 2000 geplanten "Überwachern", die zumeist aus einem militärischen oder polizeilichen Zusammenhang stammten, darunter 150 Militärexperten von DynCorp, einer privaten Firma in der Nähe des Pentagons, die US-Offiziere im Ruhestand beschäftigt und vermittelt.  Einige Mitglieder des relativ kleinen Kontingents von Mitgliedern aus Menschenrechtsgruppen beklagten mehrmals, dass ihre Berichte über Menschenrechtsverletzungen zugunsten der UCK abgeändert wurden.  Die Mission wurde am 20. März (4 Tage vor Beginn der NATO-Bombardierungen) aus dem Kosovo abgezogen und am 9. Juni 1999 formell aufgelöst.  Daraufhin errichtete die OSZE eine zweite Kosovo-Mission, unter dem Namen "OSZE-Mission im Kosovo" (OMIK).
 Ende 1999 veröffentlichte die OSZE zwei Berichte, die einen gemeinsamen Titel trugen: "Kosovo/Kosova: As Seen, As Told."  Die Berichte unterscheiden sich darin, dass der erste Bericht (Teil I) von der KVM zusammengetragen wurde, während der zweite Bericht (Teil II) von der OMIK stammt.  Teil I könnte man als Walker-Arbour-Report bezeichnen, insofern er von der KVM zur Verwendung beim Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) erstellt wurde.  Louise Arbour, Hauptanklägerin am ICTY bis zum Sommer 1999, schrieb das Vorwort, und die Mitarbeiter des ICTY standen mit Rat und Tat zur Seite.  Wie Noam Chomsky bemerkt, sollte diese Zusammenstellung als "dritte Quelle hinsichtlich serbischer Verbrechen" dienen [1], wobei die am 27.5.1999 ergangene ICTY-Anklage sowie eine vorhergegangene Publikation des US-Aussenministeriums die beiden anderen Quellen bildeten.  Bemerkenswerterweise sah sich jedoch weder die Anklage des Den Haager Tribunals noch der KVM-Bericht in der Lage, für die entscheidende Phase vor Beginn der Bombardierungen irgendeinen anderen belastenden Vorfall anzuführen als das sogenannte "Massaker von Racak" vom 15. Januar 1999.  Abgesehen davon, dass nach wie vor umstritten ist, was in Racak wirklich geschah, bemerkt Chomsky, dass dieses Ereignis einen "Einzelfall" darstellte und keineswegs typisch für die Aktionen der serbischen Seite vor Beginn der Bombardierungen war.  Ferner weist Chomsky darauf hin, dass es während einer ganzen Reihe von gewalttätigen Provokationen der UCK, über die in mehreren internationalen Reportagen berichtet wurde, stattfand.  Alle anderen Greueltaten, die im KVM-Bericht (sowie in der ICTY-Anklage) der serbischen Seite angelastet werden, sind auf einen Zeitpunkt nach Abzug der KVM-"Überwacher" und nach Beginn der NATO-Bombardierungen datiert.
 Daraus folgen zwei Dinge.  Erstens, die der serbischen Seite angelasteten Greueltaten fanden während der NATO-Bombardierungen statt und können logischerweise nicht als Begründung dieser Bombardierungen angeführt werden.  Zweitens, der weitaus grösste Teil der von der KVM zusammengestellten belastenden Materials beruht auf albanischen Quellen und kam unter Bedingungen zustande, von denen keineswegs sicher ist, dass sie frei von Manipulationen oder Einschüchterungsversuchen durch die UCK waren.  Die UCK benutzte während der Bombardierungen ihr faktisches Bündnis mit der NATO, um sowohl das Gebiet als auch die albanische Bevölkerung des Kosovo unter ihre Kontrolle zu bringen.  Die Erzählungen von Geschichten über serbische Greueltaten waren der beste Dienst, den kosovo-albanische Flüchtlinge der NATO und der UCK leisten konnten, um die Bombardierungen zu rechtfertigen.  Trotz der inzwischen vorliegenden Beweise, dass zumindest einige der schrecklichsten Greuelgeschichten, die während des Krieges kursierten, frei erfunden waren (z.B. das angebliche Massengrab in den Trepca-Minen oder die Geschichte von Rajmundas angeblich massakrierter kleiner Schwester, die in Wirklichkeit wohlauf war, wie eine kanadische Reporterin herausfand), zeigt der KVM-Bericht wenig Bewusstsein dafür, dass die Berichte der albanischen Flüchtlinge absichtliche Falschinformationen enthalten könnten. 

2.  DER KOSOVO-MYTHOS DER "INTERNATIONALEN GEMEINSCHAFT"
 Zu Beginn des 430-seitigen Berichts der KVM findet sich ein dreiseitiges "Executive Summary", das vielbeschäftigten Lesern (vor allem in Zeitungsredaktionen) das Wissenswerte in Kürze vermitteln soll.  Zum meist gelesenen und zitierten Abschnitt des gesamten Berichts vorab designiert, enthält das "Executive Summary" weitreichende Schlussfolgerungen, die durch die Daten im Bericht selbst nicht gedeckt sind.  Ausserdem bringt es die ideologischen Voraussetzungen zum Ausdruck, die den gesamten Zugang der "internationalen Gemeinschaft" zum Kosovo-Problem kennzeichnen.  Diese "internationale Gemeinschaft", unter der Führung der USA, errichtete ihren eigenen Kosovo-Mythos, indem sie behauptete, dass das Kosovo-Problem im Wesentlichen eine Angelegenheit der Menschenrechte anstatt ein politisches Problem darstellte.  Dieser irreführende Mythos ist wesentlich gefährlicher als der viel gescholtene serbische Kosovo-Mythos.  Der serbische Kosovo-Mythos, in dem Prinz Lazar die Niederlage und den Verlust seines irdischen Reichs auf dem Amselfeld im Jahre 1389 akzeptiert und stattdessen ein "himmliches Reich" erhält, ist im Wesentlichen eine christliche Umdeutung materiellen Verlusts in spirituellen Gewinn.  Er diente den Serben u.a. als Trost während der jahrhundertelangen Unterdrückung unter ottomanischer Herrschaft, und er inspirierte sie, diese Herrschaft im 19. Jahrhundert abzuschütteln.  Der Mythos der "internationalen Gemeinschaft" hingegen wurde angewandt, um ein spirituelles Versagen in eine militärische Okkupation umzuformen.  Dabei ist das spirituelle Versagen der "internationalen Gemeinschaft" vielschichtig.  Es ist die Unfähigkeit des Verstehens -- auf intellektueller, moralischer und emotionaler Ebene --, die triumphierenden Mächten im Umgang mit denjenigen, die es wagen, ihren Anweisungen zu widerstehen, zu eigen ist.  Dieses Schema bedeutet: alle diejenigen, die sich schlecht "benehmen", tun dies nicht aus vernünftigen Gründen und müssen daher wie eigensinnige und unartige Kinder behandelt werden.  Die USA führen die atlantischen Mächte in eine neue Phase imperialistischer Arroganz, die auf dem Anmassung beruht, dass der "Westen" einmalig dastehe in seiner Hingabe an "Werte", vor allem an die "Menschenrechte", und dass diese "Werte" allen denjenigen, die zu rückständig sind, um sie von alleine zu übernehmen, aufgezwungen werden müssen, wenn nötig mit Gewalt.
 In Übereinstimmung mit diesem Vorurteil haben Politiker und Journalisten seit 10 Jahren die Emotionen, Gedanken und Eigenschaften der Betroffenen vernachlässigt und den Balkan stattdessen wie einen Spielplatz unartiger Kinder behandelt.  Die jahrelange Suche nach Menschenrechtsverletzungen ging einher mit der Ignoranz gegenüber der entscheidenden politischen Dimension des Machtkampfs zwischen rivalisierenden Parteien mit verschiedenen Konzepten von "Demokratie", "Selbstbestimmung", "Autonomie", usw.  Auch wenn die Europäer sich dessen nicht bewusst zu sein scheinen, so haben sie die simplistische US-Doktrin der "Schurkenstaaten" übernommen, d.h. die Doktrin von bösen Buben auf der Welt, die sich aus reiner Perversion schlecht benehmen und daher solange bestraft werden müssen, bis sie ihre Lektion gelernt haben.
 Verletzungen der Menschenrechte werden daher als die Ursache des Kosovo-Problems präsentiert: "ein konsistentes Muster von Menschenrechtsverletzungen im Kosovo führte schliesslich zu einem Zusammenbruch der Sicherheit" (Executive Summary, S. VIII-IX).  Diese Behauptung wird im Haupttext des Berichts wiederholt: "Menschenrechtsverletzungen waren sowohl Ursache als auch Konsequenz des Kosovo-Konflikts.  Die Achtung von Menschenrechten und fundamentalen Freiheiten sowie von Demokratie und Rechtsordnung ist ein leitendes Prinzip der OSZE ... Ein gleichbleibendes Muster von Menschenrechtsverletzungen im Kosovo führte schliesslich zu einem Zusammenbruch der Sicherheit.  Dies führte wiederum zu einer menschenrechtlichen und humanitären Katastrophe, mit Verstoessen in sehr grossem Ausmass" (S. 33).

3.  MENSCHENRECHTE UND SICHERHEIT 
 Die Verbindung zwischen Menschenrechten und "Sicherheit", die als selbst-evident dargestellt wird, ist ein entscheidendes Element einer "Neuen Weltordnung".  Ihre historischen Wurzeln liegen in der Endphase des Kalten Krieges.  Die Einrichtung von "Menschenrechten, fundamentalen Freiheiten, Demokratie und Rechtsordnung als ein wesentliches Element von Sicherheit" geht auf einen Ost-West-Deal zurück, der die Basis der Helsinki-Abkommen war, die zur Bildung der OSZE führten.  Dieser Deal sah folgendes vor: die führenden Politiker der Ostblock-Staaten waren besorgt über mögliche westliche (insbesondere deutsche) Versuche, die Grenzen der Nachkriegsordnung mit militärischer Gewalt oder durch Subversion zu verändern.  Diese Ängste wurden beschwichtigt durch die Versicherung der Achtung "territorialer Integrität und staatlicher Souveränität."  Im Gegenzug erhielten die Westmächte die Anerkennung der "Menschenrechte" als wesentliche Komponente europäischer Sicherheit.  Diese Komponente wurde in der Folge dazu verwandt, die politische Opposition zu stärken und das Ende der kommunistischen Regierungen in Osteuropa zu befördern.
 So weit, so gut.  Die Jugoslawien-Krise zu Beginn der 90er Jahre brachte jedoch eine fundamentale Veränderung der Bedeutung des Ost-West-Deals, denn das Prinzip der "territorialen Integrität" eines Mitgliedsstaates, Jugoslawien, wurde verletzt, als die BRD und andere NATO-Staaten die nicht ausgehandelte einseitige Sezession Sloweniens und Kroatiens von der jugoslawischen Föderation anerkannten.  Kurz danach wurde Jugoslawien (ohne Slowenien und Kroatien) als bisher einziger Mitgliedsstaat aus der OSZE ausgewiesen, was de facto den permanenten Ausschluss der jugoslawischen Stimme von der Diskussion dieses wichtigen Themas zur Folge hatte.  Kurz: alles deutet darauf hin, dass die NATO-Mitgliedsstaaten, unter der Führung der USA und der BRD, ihren Anteil am Helsinki-Deal dazu benutzten, den Kommunismus in Osteuropa zu besiegen und sich daraufhin das Recht anmassten, einen unabhängigen Staat auseinanderzudividieren und seine Souveränität zu missachten.
 Was bleibt unter diesen Umständen noch übrig von der angeblichen Verbindung von Menschenrechten und "Sicherheit"?  Die Behauptung, Menschenrechte seien "eine wesentliche Komponente von Sicherheit" ist viel zu allgemein, um bewiesen oder widerlegt werden zu können.  Sie gehört zu der Sorte von Versicherungen, an die gutwillige Leute gerne glauben möchten, auch wenn die Beispiele, die sich schnell anführen lassen, um sie entweder zu belegen oder zu widerlegen, nur zu einer langwierigen und letztlich fruchtlosen Debatte führen.  Die Sichtweise, dass Menschenrechte in sich selbst, auch ohne Bezug auf einen "Sicherheits"faktor, ein erstrebbares Gut sind, wäre einfacher, konsequenter und moralisch eindeutiger.  In den sich abzeichnenden neuen politischen Richtlinien sind die Menschenrechte jedoch nur ein Mittel zum Zweck: eben "Sicherheit".  Nun ist "Sicherheit" ein Begriff, der in der allgemeinen Öffentlichkeit keineswegs eindeutig geklärt ist, obwohl er wichtige Implikationenen für politische Institutionen wie die NATO haben kann.  In der neuen NATO-Doktrin ist jede Situation, die eine Region zu "destabilisieren" droht, eine "Sicherheits"bedrohung, die militärische Interventionen rechtfertigt.  Die Behauptung, dass Menschenrechtsverletzungen die Ursache des Kosovo-Konflikts darstellten, soll also die neue NATO-Doktrin der "humanitären Intervention" abstützen.  In Wirklichkeit hingegen haben die NATO-Staaten durch die ostentative Aufgabe des Prinzips der "territorialen Integrität" im Falle Jugoslawiens bewaffnete Sezessionsbewegungen gefördert und dadurch die "Sicherheit" in der Region gefährdet.

4.  DIE NEUE POLITISCHE ORDNUNG
 Der "Kalte" Krieg unterschied sich von einem "Heissen" Krieg darin, dass die USA ihr militärisches Potential nur begrenzt einsetzten, um ihre weltweite wirtschaftliche Dominanz zu fördern.  Diese Zurückhaltung wurde aufgegeben, als die gegnerische Macht, deren Existenz den Einsatz des US-Militärs in Grenzen hielt, zusammenbrach.  Madeleines Albright's Frage, wozu es gut sei, über das grösste militärische Potential der Welt zu verfügen, wenn man es nicht einsetzt, ist hinlänglich bekannt.  Der Zusammenbruch des sowjetischen Kommunismus beseitigte das entscheidende Hindernis der USA, ihre militärische Macht frei einzusetzen.  Allerdings gab es ein anderweitiges politisches Hindernis: die verbreitete öffentliche Erwartung, dass das Ende des Kalten Krieges wirklich Frieden bedeutete.  Es bedurfte einer neuen Ideologie und einer neuen politischen Doktrin, um den unbegrenzten Einsatz der US-Militärmacht zu rechtfertigen.
 Madeleine Albright war, zusammen mit anderen aussenpolitischen Experten der USA, daran beteiligt, einen neuen noblen Vorwand für den Einsatz militärischer Machtmittel zu entwickeln: "humanitäre Intervention".  Vorreiter dieser ideologischen Konstruktion war eine Gruppe aussenpolitischer Experten, die am Ende des Kalten Krieges under der Schirmherrschaft der "Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden am Ende des Kalten Krieges" zusammenkamen: Morton Abramowitz (der damalige Stiftungs-Präsident und spätere Berater der albanischen Delegation in Rambouillet sowie rühriger Anwalt der UCK), Madeleine Albright, Richard Holbrooke, David Scheffer, Morton Halperin, u.a.  In einer Veröffentlichung der Stiftung von 1992, "Selbstbestimmung in der Neuen Weltordnung", schrieben Morton Halperin (Leiter der Strategieabteilung des US-Aussenministeriums während des Kosovo-Kriegs)  und David Scheffer (Aussenministerin Albright's Sonderbeauftragter für Kriegsverbrechen): "im Jahre 1992 befinden sich weder die USA noch die Weltgemeinschaft an einem Punkt, an dem humanitäre Notfälle, als Resultat von Ansprüchen auf Selbstbestimmung oder als Resultat interner Unterdrückung, automatisch eine kollektive militärische Intervention, die ausschliesslich humanitäre Ziele erreichen soll, nach sich ziehen.  In Zukunft werden humanitäre Interventionen jedoch immer unvermeidlicher werden."  Diese Aussage ist eine self-fulfilling prophecy -- in dem eher ungewöhnlichen Sinn, dass diejenigen, die sie von sich gaben, mithalfen, sie zu bewahrheiten.  Bemerkenswert ist zudem, dass die politischen Strategen der USA als unvermeidliches Ergebnis von "Ansprüchen auf Selbstbestimmung", auf die "innere Unterdrückung" zu erwarten sei, "kollektive militärische Interventionen" beabsichtigen - und nicht eine diplomatische oder politische Lösung; und schon im Jahre 1992 wurden militärische Aktionen dieser Art "humanitäre Intervention" genannt.  Um aus dem Kosovo-Konflikt einen Testfall der Demonstration der neuen Doktrin der "humanitären Intervention" zu machen, war es daher notwendig, die politischen Aspekte des "Anspruchs auf Selbstbestimmung" der albanischen Sezessonisten im Kosovo zu verdunkeln und das Interesse ausschliesslich auf die "Menschenrechte" und die angeblich bevorstehende "humanitäre Katstrophe", die nur (so wurde behauptet) durch ein militärischen Eingreifen von aussen zu verhindern sei, zu richten.
 Politische Probleme verlangen nach politischen Lösungen, die natürlich eine genaue Kenntnis der Probleme voraussetzen.  Im Falle des Kosovo übersahen die Regierungen, aber auch die Medien, der NATO-Staaten die politischen Aspekte oder sie stellten sie falsch dar, insbesondere durch die Verbreitung des falschen Behauptung, dass das wichtigste politische Problem die "Autonomie" der Provinz sei.  Gemäss dieser Fiktion hatte Slobodan Milosevic den Konflikt mit den albanischen Kosovaren hervorgerufen als er die Autonomie des Kovoso im Jahre 1989 willkürlich aufhob.  Dies wurde endlos wiederholt, ebenso wie die Folgerung, dass das Problem hätte gelöst werden können, wäre Belgrad bereit gewesen, die Autonomie des Kosovo wiederherzustellen.  In Wirklichkeit wollten die albanischen Nationalisten aber gar keine Autonomie, sondern die volle Unabhängigkeit.  Sie hatten versucht, die Autonomie zur Erlangung dieses politischen Ziels zu nutzen.  Nicht die Belgrader Regierung, sondern die Vertreter der albanischen Sezessionsbewegung verweigerten daher im Jahre 1998 die Teilnahme an Verhandlungen über eine Autonomie des Kosovo.  Indem die Anführer der "internationalen Gemeinschaft" sich weigerten diese einfach zu erkennende Tatsache anzuerkennen, verunmöglichten sie jeden realistischen Zugang zum politischen Dilemma im Kosovo.  Nicht zuletzt aufgrund dieser Sackgasse wurde auch die menschenrechtliche Situation, die dann als die ngebliche Ursache der Krise dargestellt wurde, immer schwieriger.  Ausserdem trug die Tatsache der Reduzierung des Kosovo-Problems auf einen "ethnischen Konflikt" zwischen Serben und Albanern zu einer ethnischen Polarisierung bei, die der Westen angeblich ablehnte.

5.  VOREINGENOMMENHEIT IN DEN METHODEN
 Die von der KVM bei ihrer zielstrebigen Suche nach Menschenrechtsverletzungen angewandten Methoden waren dazu bestimmt, einen einseitigen Anklagefall gegen die Regierungsstellen Jugoslawiens zu konstruieren, während die politischen Faktoren vernachlässigt wurden.  Die KVM verliess sich weitgehend auf Informationen des kosovo-albanischen "Rats für die Verteidigung der Menschenrechte und -freiheiten" (Council for the Defence of Human Rights and Freedoms = CDHRF), der sowohl der UCK nahestand als auch finanziell von der US-Regierung unterstützt wurde, durch die "Nationale Stiftung für Demokratie" (National Endowment for Democracy = NED).  Auch wenn die NED technisch gesehen eine steuerfreie "private gemeinnützige Organisation" ist, wurde sie 1983 von der Reagan-Regierung eingerichtet, um "demokratische Institutionen weltweit zu fördern durch nicht-regierungsamtliche Bemühungen", und sie erhält dementsprechend eine jährliche Zuwendung aus dem US-Budget.  NED-Veröffentlichungen haben mit Stolz auf die finanzielle Unterstützung der führenden kosovo-albanischen Zeitung Koha Ditore (die auch von der Soros-Stiftung unterstützt wird) sowie des CDHRF hingewiesen.  Laut einer Ausgabe der NED-Veröffentlichung "Democracy" vom Sommer 1998, deren Titelseite den Herausgeber von Koha Ditore, Veton Surroi, mit den Worten zitiert, Kosovo sei "die groesste Nicht-Regierungsorganisation der Welt", ist CDHRF "zur wichtigsten Informationsquelle über die Menschenrechte im Kosovo avanciert"; er dient der Internationalen Föderation für Menschenrechte, der UNO-Kommission für Menschenrechte und der Associated Press als Informationsquelle.  Ein Stipendium der NED "ermöglichte es CDHRF, einen hauptamtlichen Direktor einzustellen und Büros vor Ort mit Fax-Maschinen und Computern auszustatten".  Ende 1999 berichtete das Wall Street Journal, dass die "Aktivisten [des CDHRF] oft die ersten Interviewer der in Mazedonien eintreffenden Flüchtlinge waren" und der UCK halfen, "das Bild des Westens von der Situation im Kosovo während des Krieges zu formen".[2]  Halit Berani, Leiter der Abteilung des CDHRF in Mitrovica, wurde vom Wall Street Journal als Quelle eines Reports von Anfang April 1999, dass serbische Einheiten die Trepca-Minen als Massengrabstätte verwandten, ausfindig gemacht.  Diese sensationalistische Meldung wurde von verschiedenen internationalen Medien verbreitet, aber spätere Untersuchungen bewiesen, dass sie völlig unbegründet war.
 Die Rolle der NED im Kosovo ist nur eine von vielen Illustrationen der Zweideutigkeit der Bezeichnung "nicht-regierungsamtlich", denn diese Bezeichnung gilt nur für ein Land (Jugoslawien), dessen Regierung ausserdem geschwächt werden soll.  Sie gilt jedoch nicht für andere Länder (z.B. die USA), die viele der sogenannten nicht-Regierungsorganisationen finanzieren und kontrollieren.

5.1. STANDARDISIERUNG UND "MUSTER"
 Schon in Bosnien-Herzegowina bestand der Ansatz der ICTY-Anklage gegen Serben in der Aufdeckung, oder Konstruktion, von bestimmten Verhaltens"mustern", um die Absicht von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie "Völkermord" oder "Vergewaltigung als Form ethnischer Säuberung"  zu belegen.  Diese "Muster" waren dazu gedacht, das Fehlen handfester Dokumente (wie zum Beispiel offizielle Anordnungen und ähnliches) oder von eindeutigem Beweismaterial (wie zum Beispiel eine genügend grosse Anzahl von Leichen oder offiziell gemeldeter Vergewaltigungen, etc.), die eine Verfolgung solch schwerer Verbrechen normalerweise erfordert, zu ersetzen.  Insbesondere im Fall der unbewiesenen Anschuldigungen einer Verwendung von "Massenvergewaltigungen" als "Kriegswaffe" in Bosnien-Herzegowina versuchte man das Muster einfach durch die Auflistung von Handlungen, die angeblich ein "Muster" ergaben, zu beschreiben.  Es wird also einerseits vorausgesetzt, dass ein "Muster" bewusste Absicht und Planung voraussetzt.  Andererseits kann ein Muster sich aber schon allein dadurch ergeben, dass man einfach bestimmte Handlungen in verschiedenen Kategorien auflistet.
 Die Menschenrechtsverletzungen, die der KVM in den Flüchtlingslagern berichtet wurden, wurden durch "standardisierte Interviewbögen" des US-Aussenministeriums, geformt (S. 9).  Hier stellt sich die Frage, in welchem Umfang diese standardisierten Bögen den Eindruck von bestimmten "Mustern" der Gewalt, denen die Anklage des ICTY suchte, hervorzubringen halfen.  Es ist eine unter Soziologen verbreitete Einsicht, dass die Art und Weise, wie Fragen formuliert werden, einen starken Einfluss auf die entsprechenden Antworten haben kann.  Frau Albright's Aussenministerium, dem die Hauptverantwortlichkeit für den Kriegseinsatz der NATO zukommt, wäre besonders motiviert gewesen, die Statistiken dazu benutzen, um die Verantwortung den Serben zuzuschieben.  In dem standardisierten Ansatz des KVM-Berichts "wurden ca. 30 Kategorien möglicher Menschenrechtsverletzungen identifiziert, die zivile und politische, sowie ökonomische, soziale und kulturelle Rechte beinhalteten" (S. 33).  Unweigerlich stellt sich hier die Frage, ob die Vorstellungskraft dieser Fragebögen zu einer subtilen Form der Beeinflussung des Zeugen führte, bestimmte Vorwürfe zu erheben?  In jedem Fall stellte der Versuch, die jeweiligen "Opfer"-Kategorien mit Material zu füllen, einen Fischzug dar, der zu teilweise absurden Ergebnissen führte; zum Beispiel, wenn einige aufeinanderfolgende Kapitel "junge Männer im wehrfähigen Alter, Frauen, Kinder, sowie Alte und Behinderte" umfassten und herausfinden wollten, dass jede dieser Gruppen "gesondert angegriffen" (specifically targeted) wurde.  Der Abschnitt "Angriffe auf Behinderte" beginnt dann jedoch, ein wenig mit dem Ausdruck der Enttäuschung, mit den Worten: "Es gibt relativ wenig Hinweise darauf, dass behinderte Kosovo-Albaner ein direktes Angriffsziel waren." (S. 134)  Es werden sogar Hinweise auf das Gegenteil angeführt.  Warum wurde die Kategorie trotzdem in dem Bericht belassen?

5.2. ANONYME DENUNZIATIONEN
 Alle kosovo-albanischen Flüchtlinge stellten ihre Angaben dem ICTY zur Verfügung und erhielten im Gegenzug die Versicherung streng vertraulicher Behandlung.  Die erklärte Absicht dieser Vertraulichkeit war es, "die Sicherheit der Opfer oder Zeugen zu gewährleisten".  Andererseits gewährleistete dieses Vorgehen auch die Sicherheit zweifelhafter oder falscher Zeugen, so dass den möglichen Angeklagten das in allen demokratischen Rechtsordnungen anerkannte Recht einer ordentlichen legalen Verteidigung, Zeugen direkt zu verhören, vorenthalten wird.  Diese Methode, die schon in Bosnien-Herzegowina angewandt wurde, ist förmlich eine Einladung zu anonymen Denunziationen, ohne grosses Risiko für die Denunzianten.  Die gegenwärtige, fast schon obsessive Besorgnis um "Opfer" (victims) leistet so der Schikanierung (victimization) von denjenigen Personen Vorschub, die zu Unrecht schlimmer Verbrechen, die sie nicht begangen haben, angeklagt werden.

5.3. VOREINGENOMMENHEIT
 Eine anti-serbische Voreingenommenheit ist inzwischen in der "internationalen Gemeinschaft" weitgehend etabliert, so dass ihre Abwesenheit geradezu auffällig wäre.  Dennoch soll erwähnt werden, dass auch der KVM-Bericht von dieser Voreingenommenheit durchzogen wird.  Unbewiesene Anklagen gegen die Serben werden als erwiesene Fakten wiedergegeben, ganz im Gegensatz zu der Unwilligkeit, selbst gut belegte serbische Anklagen gegen die UCK anzuerkennen.  Nicht nur werden Berichte von serbischen Verfehlungen ohne Nachfrage akzeptiert, sondern das Fehlen solcher Anklagen wird mit Misstrauen beobachtet.  So heisst es in dem Kapitel über Vergewaltigung: "Über dieses Thema wurde nur sehr wenig dokumentiert" -- woraufhin erläutert wird, warum das aber noch nichts beweist: "Eine Frau, die zugibt, vergewaltigt worden zu sein, kann ausgeschlossen oder verstossen werden von ihrem Ehemann, ihrer Familie oder der Familie ihres Ehemannes."  Allerdings, so der Report weiter, "erhielten [die KVM-Mitarbeiter] Unterstützung von Männern, die versuchten, es für die Frauen sicher genug zu machen, wenn sie reden wollten ... und oft ermutigten sie die Frauen, ihre ganze Geschichte im Detail zu erzählen."  Während also das Fehlen von Anschuldigungen mit Skepsis betrachtet wird, gibt es nicht die geringste Skepsis gegenüber Anschuldigungen, die unter Bedingungen entstanden, die den albanischen Sitten offenbar völlig entgegengesetzt sind (auch wenn sie den Interessen der UCK-Propaganda keineswegs entgegenstanden).  Aber no news is never good news: "Man kann erwarten, dass die tatsächliche Zahl der Frauen, die vor ihrer Ermordung vergewaltigt wurden, wesentlich höher liegt als in den Berichten dargelegt" (S. 59).  Eine Begründung für diese Erwartung wird nicht gegeben.
 Zwei weitere Beispiele: im Bezirk von Strpce gab es nur "wenige Menschenrechtsverletzungen", aber (so heisst es im Bericht) die wenigen, die es gab, "stimmten mit Mustern überein."  Diese "Muster" werden aber nicht näher erläutert.  Für den Bezirk von Kamenica gab es zwar keine Berichte über Menschenrechtsverletzungen, Vertreibungen oder ähnliche Vorfälle vor und während der NATO-Bombardierungen (ohne Zweifel, wie der Bericht sagt, weil die UCK dort nicht aktiv war) -- aber "es ist nicht möglich, definitiv festzustellen, ob Gewalttaten in dem Masse, wie sie anderswo zu sehen waren, wirklich nicht geschahen (und wenn ja, warum) oder ob es andere Faktoren gibt, die das offenbare Fehlen von Flüchtlingen, die sich über Menschenrechtsverletzungen beklagten, erklären."  Mit anderen Worten: für Serben gilt stets eine Schuldvermutung, ob Beweise vorliegen oder nicht.
 Aber Serben sind nicht das einzige Ziel der pro-albanischen Voreingenommenheit, die den Bericht durchzieht.  Ein bestürzendes Beispiel ethnischer Voreingenommenheit findet sich in Kapitel 20, das die Roma im Kosovo zum Thema hat.  In diesem Kapitel wird jeder Vorwand politischer Korrektheit fallengelassen und die Roma werden als "Zigeuner (Maxhupet)" bezeichnet, denn so nennen die Kosovo-Albaner sie.  Dies geschieht, obwohl der Bericht feststellt, dass der Ausdruck Maxhupet "herablassend" ist und dass es "seitens der Kosovo-Albaner eindeutige Vorurteile gegenüber und negative Wahrnehmungen der Zigeuner (Maxhupet) gab".  Da jedoch "so gut wie alle Informationen in diesem Kapitel (20) von kosovo-albanischen Flüchtlingen stammten", wurde der herablassende albanische Ausdruck beibehalten.  Nun gab es aber während der Bombardierungen auch Roma in den Flüchtlingslagern, und schon damals wurden sie von den ethnischen Albanern, die inzwischen fast alle Roma aus ihrer Heimat im Kosovo vertrieben haben, feindselig behandelt.  Wenn die KVM wirklich am Schicksal der Roma interessiert war, warum haben sie dann nicht einige von ihnen interviewt?  Warum verbreitet der KVM-Bericht albanische Anklagen gegen Roma, weil sie sich den Serben anschlossen, ohne daraus den offensichtlichen Schluss zu ziehen, dass, trotz allgegenwärtiger Vorurteile, die Roma nirgends ein besseres Leben hatten als zusammen mit den Serben im Kosovo?  Dies ist einer der schlagendsten Beweise für die erstaunliche pro-shkiptarische Voreingenommenheit, die in der "internationalen Gemeinschaft" vor den und während der NATO-Bombardierungen auf einmal aufkam.
 Ich sage "shkiptarisch", weil es -- wie "Maxhupet" -- ein albanisches Wort ist.  Es ist aber keineswegs abwertend, sondern wird vielmehr von den Albanern selbst für sich selbst und ihre Sprache verwandt.  Aus einem unerfindlichen Grunde haben sie jedoch beschlossen, dass niemand sonst es benutzen darf, und daher traut sich niemand, dies zu tun.  Dennoch wäre die Verwendung des Ausdrucks "Shkiptar" praktisch gewesen.  Der Ausdruck "Albaner" bezeichnet jemanden, der in Albanien lebt.  Der Ausdruck "Kosovo-Albaner" ist umständlich; ausserdem sah Kosovo in letzter Zeit den Zuzug vieler Albaner, die nicht aus dem Kosovo stammen.  Der Ausdruck "Shkiptar" würde diese Probleme nicht aufwerfen.  Es wäre ausserdem eine vernünftige Alternative zum Ausdruck "Kosovare", der von den Shkiptaren im Kosovo angenommen wurde in der offensichtlichen Absicht, sich selbst, und sonst niemanden, mit der Provinz zu identifizieren.  Der Begriff "Kosovare" beabsichtigt eindeutig, den Eindruck zu erwecken, dass der Kosovo schon immer ausschliesslich der shkiptarischen Bevölkerung gehörte und dass die Serben "Eindringlinge" seien.  Diese ganze Vewirrung könnte durch die Verwendung des klangvollen und ehrenhaften Ausdrucks Shkiptare vermieden werden.  Zugleich wäre dies ein erster sehr kleiner Schritt in Richtung auf eine geheimnisvolle Sprache und Kultur, die für die äussere Welt lange Zeit ein Hindernis darstellte, Albanien und die Albaner besser zu verstehen.

6.  DIE UNSICHTBARE UCK
 Das "Executive Summary" behauptet, "dass die Vergehen gegen die kosovo-albanische Bevölkerung, die nach dem 20. März 1999 begangen wurden, eine Fortsetzung von gut erprobten Handlungen der jugoslawischen und serbischen Sicherheitskräfte darstellte, insofern sie in vielen Orten des Kosovo schon lange vor dem 20. März stattfanden."  Diese Behauptung wird im Text des Berichts jedoch überhaupt nicht belegt. Ferner: während das "Executive Summary" sich auf "jugoslawische und serbische Übeltäter von Menschenrechts- und humanitären Rechtsverletzungen", sowie auf "kosovo-albanisches Leiden unter dem jugoslawischen und serbischen staatlichen Militär- und Sicherheitsapparat" konzentriert, erwähnt es die UCK nur dreimal, und sogar nur einmal negativ: "Die Kosovo-Serben waren Opfer von Verletzungen des humanitären Rechts durch die UCK, insbesondere im Hinblick auf Serben, die entführt wurden und von denen viele noch immer vermisst werden."  Dieser Satz wird jedoch sofort relativiert: "Andererseits waren viele serbische Zivilisten aktiv an Menschenrechtsverletzungen beteiligt..." -- ein weiterer unbelegter Vowurf, der nur dazu dient, die Rolle der UCK herunterzuspielen.
 Aber selbst die voreingenommene, schlecht analysierte und extrem inadäquate Information im Haupttext von "As Seen, As Told" kann jedem aufmerksamen Leser klarmachen, dass das "Executive Summary" einen wesentlichen Teil der Geschichte unerzählt (untold) und unbesehen (unseen) lässt: die Aktionen der UCK.  Im Walker-Arbour-Bericht wird nicht nach einem bestimmten "Muster" der UCK-Aktionen gefragt, obwohl ein solches erblickt werden kann.  Dies ist umso bedeutsamer, weil dieses Muster erneut sichtbar ist nach dem Rückzug der jugoslawischen und serbischen Sicherheitskräfte im Juni 1999, d.h. zu einem Zeitpunkt, seitdem westliche Beobachter wieder im Kosovo sind.  Dieses Muster besteht aus Provokationen, Hinterhalten, Entführungen und, vielleicht am Bedeutsamsten, der Einschüchterung der kosovo-albanischen Bevölkerung.  Die UCK zögerte nicht, Angehörige ihrer eigenen ethnischen Gruppe zu "bestrafen" und umzubringen, wenn sie den Beobachtern vielleicht sagten, dass der Konflikt nicht nur ethnischer, sondern auch politischer Natur sei und durch den Versuch einer rücksichtslosen bewaffneten Gruppe, die Macht zu erlangen, charakterisiert wurde.
 Kapitel 3 des KVM-Berichts, das sich mit dem "Militär- und Sicherheitskontext" befasst, bietet Einblicke in die Wirklichkeit des Konflikts.  Es wird darauf hingewiesen, dass die UCK Anfang 1999, vor Beginn der NATO-Bombardierungen, der serbischen Polizei häufig Hinterhalte legte, die gemeinsam mit den Kidnappings und Ermordungen "die Vorstellung einer Feuerpause eindeutig verletzten."  "Im März 1999 waren die jugoslawischen/serbischen Sicherheitskräfte mit zwei Aufgaben beschäftigt: die UCK zu besiegen und sich auf einen Angriff der NATO vorzubereiten."  Interessanterweise findet sich in diesem Kapitel kein einziger Verweis auf die von der NATO während der Bombardierungen erhobene Behauptung, dass Belgrad eine vorher geplante "ethnische Säuberung" ausführte, unter dem Decknamen "Operation Hufeisen".  Schon zur Zeit, als diese Behauptung angeblich auf Grund österreichischer Quellen aufgestellt wurde, gab es starke Zweifel an der angeblichen Absicht, "die albanische Bevölkerung des Kosovo zu vertreiben".  Der deutsche General Hans-Peter von Kirchbach erklärte nämlich auf einer Pressekonferenz am 8. April 1999: "Hauptziel der 'Operation Hufeisen' war/ist aus unserer Sicht die Zerschlagung bzw. Neutralisierung der UCK im Kosovo".  Der General sagte ausserdem: "für Belgrad war und ist die UCK Instrument des Terrors und des Separatismus, gegen das jedes Mittel eingesetzt werden muss".
 In Kapitel 3 des Berichts findet sich keine Erwähnung einer gesonderten Operation, aber es bietet Hinweise auf den möglichen Ursprung des Wortes "Hufeisen": um das Grenzgebiet zu Albanien zu kontrollieren und die Infiltration von Waffen und Kämpfern in den Kosovo zu unterbinden, sowie zur Vorbereitung auf eine Invasion der in Albanien stationierten NATO-Truppen, "führten [die jugoslawischen Kräfte] eine klassische 'Hufeisen'-Bewegung durch, indem sie die Dörfer im Grenzgebiet von drei Seiten umzingelten".  Militärexperten können die Normalität von anti-aufständischen Massnahmen, die zum Repertoire jeder Armee auf der ganzen Welt gehören, erkennen.  Nur wenn Serben diese Massnahmen durchführen, werden sie automatisch als "ethnische Säuberung" bezeichnet.  In den Wochen und Monaten vor Beginn der NATO-Bombardierungen hatte die UCK ihre Attacken gegen die serbische Polizei und gegen albanische Zivilisten verstärkt.  Da die UCK nicht darauf setzen konnte, die serbiche Polizei und die jugoslawische Armee militärisch zu besiegen, sind die bewaffneten Hinterhalte und Ermordungen von Polizisten nur im Rahmen einer Strategie der Provokation zu verstehen.  Die UCK hatte einen einfachen aber effektiven Plan: sie ermordet serbische Polizisten - die Serben würden mit umfassenden Vergeltungsmassnahmen, einschliesslich vereinzelten Massakern, zurückschlagen - der Westen würde sich zunehmend besorgt zeigen, bis er, wie schon in Bosnien, schliesslich handeln würde.  Im Klartext: die USA und ihre europäischen Verbündeten würden auf der Seite der UCK militärisch eingreifen.  Dieser Plan ging auf.[3]
 Es ist eindeutig, dass es kein vorrangiges Ziel der UCK war, kosovo-albanische Zivilisten gegen serbische Verfolgungen zu verteidigen -- auch wenn die UCK-Apologeten dies behaupten --, sondern die NATO dazu zu bewegen, anstelle und auf der Seite der UCK, die Serben zu besiegen.  Gleichzeitig kämpfte die UCK in einer anderen Art von Krieg, nämlich in einem Bürgerkrieg zur Erlangung der Kontrolle über die albanische Bevölkerung des Kosovo.  Dies erforderte zwei Dinge: erstens, alle Kontakte zwischen Serben und Albanern zu unterbinden, insbesondere durch die Ermordung von Personen, die als Brücke zwischen den beiden Gruppen fungierten; zweitens, die umfassende Kontrolle über die albanische Gemeinschaft, indem alle Personen, die eine politische Alternative zur UCK darstellten, eingeschüchtert oder sogar ermordet wurden.  Der Report vermerkt: "In einigen Fällen bestand der Verdacht, dass UCK-Kräfte nicht nur moderate Kosovo-Albaner, sondern auch Serben, die in beiden Gruppen beliebt waren, ermordeten" (S. 137).  Zum Beispiel wurde am 17. Dezember 1998 der stellvertretende Bürgermeister von Kosovo Polje, "ein moderater Kosovo-Serbe, der viel zur Verbesserung der sozialen Bedingungen in seinem Bereich beigetragen hatte", entführt und ermordet.  In diesem sensiblen Zentrum des Bürgerkrieges besass die UCK eine klare militärische Überlegenheit.  Ob es einem gefällt oder nicht: diejenigen Kosovo-Albaner, die bereit waren, eine Koexistenz mit den Serben zu akzeptieren, oder die andere politische Optionen als die UCK unterstützten, waren in der Tat auf den Schutz der jugoslawischen Armee und der serbischen Polizei angewiesen, genauso wie sämtliche nicht-albanischen Zivilisten.  Sobald die NATO-Angriffe, auch auf Drängen der UCK, die staatlichen serbischen Einrichtungen ausgeschaltet hatten, war es für die UCK sehr einfach, mit jeglicher zivilen Opposition aufzuräumen -- was dann auch geschah, während die KFOR-Einheiten, orientierungslos oder mit stillschweigendem Einverständnis, zuschauten.  Dieser Aspekt stellte den wichtigsten Teil des Bürgerkriegs dar, der in der westlichen Öffentlichkeit in den Monaten vor Beginn der NATO-Angriffe weitgehend unsichtbar blieb.  Fast alle anwesenden Medienvertreter suchten die Gegend nach 'serbischen Massakern' und 'ethnischen Säuberungen' ab und scherten sich nur sehr selten darum, ihre Leser über "moderate kosovo-albanische Politiker", die sich frei bewegen konnten (in einem System, das von albanischen Seperatisten als "Apartheid" beschrieben wurde!), über "Serben, die in beiden Gruppen beliebt waren", oder über die Tatsache, dass diese Leute von der UCK bedroht, entführt und ermordet wurden, zu informieren.  Das vorrangige Medieninteresse richtete sich auf die unvermeidlichen polizeilichen Reaktionen auf diese Verbrechen, über die dann in einer Weise berichtet wurde, die der Nachfrage nach Horrorgeschichten über "ethnische Säuberungen" genügen konnte.
 Da die ganze Aufmerksamkeit der KVM (dank WilliamWalker) den "von Serben begangenen Menschenrechtsverletzungen" galt, war sie nicht in der Lage, diese Entwicklungen angemessen zu bewerten.  Dennoch sind sie gut sichtbar in den Details des KVM-Berichts, selbst wenn das "Executive Summary" sie verschweigt.  Insbesondere im Westen des Kosovo, an der offenen Grenze zu Albanien, wo die UCK am Aktivsten war, kam es in den Wochen vor Beginn der NATO-Bombardierungen wiederholt zu Entführungen und/oder Ermordungen von Kosovo-Albanern, die "loyal zur Regierung standen und den Serben freundlich gesonnen waren" (S. 167; S. 209; u.a.).  In Decani enstand ausnahmsweise eine gute Beziehung zwischen den KVM-Beobachtern und dem örtlichen Polizei-Chef, der die Beobachter willkommen hiess.  Sie wurden darüber informiert, dass die lokalen Kosovo-Albaner die UCK-Einheiten, die dort operierten, "sehr fürchteten", weil diese Einheiten "die Reputation hatten, junge Leute mit brutalen Methoden zum Eintritt in die UCK zu zwingen".  Serbische Autoritäten in Decani waren "sehr offen in der Weitergabe von Dokumenten über, wie sie glaubten, Greueltaten gegen lokale Serben, begangen von der UCK im Sommer 1998, insbesondere die Ermordung von 35 Serben bei einem Kanal hane Rznic und ein Massengrab in Glodjan" (S. 164).  Es ist bemerkenswert, dasss der KVM-Bericht hier, im Falle besonders gut belegter Massaker und einem der seltenen Fälle, in dem die Beobachter die Beschwerden der örtlichen Autoritäten zur Kenntnis nahmen, einen Zweifel einstreut ("...wie sie glaubten...").  Die Anklagen nationalistischer Gruppen von Albanern stiessen nie auf eine vergleichbare Skepsis.  Offensichtlich waren Massaker an Serben nicht die Geschichten, nach denen man suchte und fanden daher nur wenig oder gar keine Beachtung.
 Im Bezirk von Kacanik, die sich über beide Seiten eines engen, strategisch wichtigen Passes nach Mazedonien erstreckt, war die UCK vor Beginn der NATO-Bombardierungen besonders aggressiv.  Im Februar kidnappte sie den albanischen Vertreter der Sozialistischen Partei Serbiens (die Regierungspartei von Präsident Milosevic) und einen weiteren kosovo-albanischen Politiker, der zur Demokratischen Initiative gehörte, einer Partei, die nicht die UCK unterstützte.  Der Bericht fasst zusammen: "Die UCK entführte diejenigen, die für serbische Autoritäten arbeiteten oder Unterstützung bekundeten, und sie belästigte diejenigen, die sich nicht auf die Seite der UCK stellen wollten" (S. 217).  Es ist daher nicht verwunderlich, dass jugoslawische Armee und serbische Polizei Anfang März damit begannen, "die Gegend von der UCK zu befreien".  Das bedeutete, dass man Häuser anzündete und Dörfer besetzte, die von der UCK kontrolliert wurden -- sicherlich ein Vorgeschmack von Operationen während der NATO-Bombardierungen.  Bemerkenswerterweise bezeichnete die KVM, die sich noch vor Ort befand, diese Aktionen nicht als "ethnische Säuberungen", sondern stellte fest, dass Armee und Polizei während der gesamten Zeit "relative Zurückhaltung" gegenüber der Zivilbevölkerung zeigten, mit insgesamt drei Toten, vermutlich UCK-Kämpfer.  Der KVM-Bericht bemerkt ferner: "Zur gleichen Zeit war die UCK mitverantwortlich dafür, dass Zivilisiten ihre Häuser verliessen.  Sie gingen in ein Dorf und forderten die Bewohner auf, wegzugehen, weil ein serbischer Angriff erwartet wurde.  Daraufhin konnte die UCK die leeren Häuser als befestigte Anlagen verwenden, was die serbischen Kräfte natürlich provozierte erst recht anzugreifen.  Obwohl die Dorfbewohner der UCK zugeneigt zu sein schienen, gab es Berichte, dass einige Bewohner gezwungen wurden, ihre Unterstützung zu bekunden oder sogar einzutreten."
 Allerdings erwägt der KVM-Bericht niemals die Möglichkeit, dass die UCK auch dann in dieser Weise verfuhr und Dorfbewohner aufforderte wegzugehen, als die Kämpfe eskalierten, nämlich während der NATO-Bombardierungen; und dass sie vielleicht in einigen Fällen die Dorfbewohner ermutigte, ausschliesslich die Serben zu beschuldigen, oder dass sich die Dorfbewohner vielleicht ohnehin entschieden hatten, allein die Serben zu beschuldigen.  Kapitel 14 (Forced Expulsions) des Berichts nennt nur einen einzigen möglichen Grund des immensen Flüchtlingsstroms, der nach Beginn der NATO-Luftangriffe einsetzte: "... der Strom von Kosovo-Albanern als Flüchtlingen resultierte aus systematischen und weitverbreiteten Vertreibungen, die im gesamten Kosovo von serbischen Kräften durchgeführt wurden."  Ein Satz dieser Art wird natürlich von Redakteueren aufgegriffen und verbreitet.  Nichtsdestotrotz stellt er eine unbewiesene Verallgemeinerung dar.  Erstens basiert er ausschliesslich auf Aussagen von Flüchtlingen in Flüchtlingslagern, in denen die UCK eine Rolle spielte, die sicherlich nicht zu vernachlässigen ist, wenn es um die Frage der Auswahl von Personen für Interviews und die Durchführung der Interviews geht.  Zweitens kann es gar nicht stimmen, dass Vertreibungen "im gesamten Kosovo" stattfanden, weil der KVM-Bericht selbst klarmacht, dass keinerlei Vertreibungen oder ähnlichen Vorgänge über Gebiete, in denen die UCK nicht aktiv war, berichtet wurden.  Im Zentrum berichteter Vertreibungen standen Gebiete mit hoher UCK-Präsenz, insbesondere entlang der Grenze zu Albanien, an der die heftigsten Kämpfe stattfanden und eine Invasion erwartet wurde.
 Ein abschliessender Punkt: die massiven Flüchtlingsbewegungen aus dem Kosovo wurden in der westlichen Öffentlichkeit als Hauptgrund dargestellt, dass die Serben sich schrecklicher Verbrechen schuldig gemacht hatten und es daher verdienten, bombardiert zu werden. Interessanterweise ist aber die Vertreibung bzw. Ausweisung von Zivilisten aus einem Kriegsgebiet, egal von welcher Seite sie stattfindet, nicht schon als solche ein Kriegsverbrechen.  In Artikel 17 des 2. Zusatzprotokolls zur Genfer Konvention, der auch im KVM-Bericht zitiert wird (S. 410) heisst es: "Eine Umsiedlung der Zivilbevölkerung als Folge des Konflikts soll nicht angeordnet werden, es sei denn, dass die Sicherheit der betroffenen Zivilisten oder zwingende militärische Gründe dies verlangen."  Die vage Formulierung -- "Sicherheit der betroffenen Zivilisten" und besonders "zwingende militärische Gründe" -- legt zweifelsohne die Interpretation nahe, dass Vertreibungen in bestimmten Situationen zulässig sind, z.B. im Falle Jugoslawiens, in dem ein Staat in dreifacher Weise angegriffen und bedroht wurde: durch NATO-Luftangriffe, durch eine bewaffnete, vom Ausland unterstützte Sezessionsbewegung und durch einen Truppenaufmarsch an seinen Grenzen.  Dies bedeutet, dass in einem bewaffneten Konflikt nicht die Tatsache der Vertreibung als solche, sondern die Art und Weise der Vertreibung entscheidend ist für die Frage, ob Verbrechen begangen werden oder nicht.

7.  RACAK: CASUS BELLI FÜR DIE NATO
 Die Rechtfertigung der NATO für ihre militärische Intervention beruht zu einem grossen Teil auf dem sogenannten Massaker von Racak am 15. Januar 1999.  Wie schon erwähnt, ist dies der einzige Vorfall vor Beginn der NATO-Angriffe, der in der ICTY-Anklageschrift gegen Mitglieder der jugoslawischen Regierung aufgelistet wird.  Die offizielle Begründung der NATO-Intervention beruht u.a. auf der Interpretation des Vorfalls in Racak als Teil eines serbischen Plans, die albanische Bevölkerung im Kosovo zu vertreiben oder sogar zu vernichten.  In Teil I des OSZE-Berichts, dem KVM-Bericht,  wird Racak mindestens 14 Mal erwähnt.  Ausserdem wird eine dreiseitige Beschreibung des Vorfalls geboten, in der er als Wendepunkt in den Beziehungen zwischen der "internationalen Gemeinschaft" und Jugoslawien dargestellt wird, als eine Greueltat, die NATO zur Anwendung von Gewalt zwang, nachdem der jugoslawischen Seite in Rambouillet eine letzte Chance gegeben wurde.  Wesentliche Fakten des Vorfalls sind jedoch ungewiss.
 Zu Beginn (S. 7) wird Racak -- und nur Racak -- als Beispiel für den allgemeinen Vorwurf genannt, dass "Greueltaten gegen unbewaffnete Zivilisten nicht aufgehört hatten".  Es wird gesagt, dass "45 Menschen, darunter einige Kinder, in Racak ermordet aufgefunden wurden ..., meistens mit Kopfschüssen aus naher Distanz."  Laut des einzigen bisher veröffentlichten forensischen Untersuchungsberichts (durchgeführt in Pristina, mit Hilfe belo-russischer und finnischer Experten) wurden die in Racak gefundenen Menschen aus der Entfernung erschossen, mit einer möglichen Ausnahme. Ferner handelte es sich bei den Toten um Männer, abgesehen von einer Frau und einem Jungen, die beide mit einer einzigen Kugel von hinten erschossen wurden.  In einer späteren Passage des KVM-Berichts heisst es dann, dass einige Opfer "enthauptet worden waren" (S. 36), obwohl die forensischen Experten aufgrund von Bisspuren folgerten, dass die Verstümmelungen der Leichen von Tierbissen in der folgenden Nacht herrührten, wahrscheinlich von streunenden Hunden.
 Offizielle serbische Stellen sagten, dass es sich bei den Toten in Racak um UCK-Kämpfer handelte, die bei einer militärischen Aktion gegen eine terroristische Basis nahe Racak getötet wurden.  Die Regierung in Belgrad hatte OSZE-Beobachter eingeladen, die Operation zu beobachten und erklärte noch am selben Tag, dass ein wichtiger Sieg errungen wurde und viele "Terroristen" im Kampf umkamen.  Die OSZE hatte in der Tat Verifikateure an den Ort des Geschehens gesandt, die die Operation von einem nahegelegenen Hügel aus beobachteten, ohne dass sie irgendetwas Besonderes feststellten, laut Aussage eines französischen Journalisten, der mit den anwesenden Verifikateuren am selben Nachmittag (15. Januar) gesprochen hatte.  Am nächsten Tag hatte die UCK das Dorf jedoch wieder besetzt und brachte Zeugen vor, die behaupteten, dass Zivilisten aus ihren Häusern geschleppt und hingerichtet worden waren.  Ein Film von der Operation, der von zwei Kameraleuten von Associated Press aufgenommen wurde und den zwei französische Journalisten einige Tage später sahen, schien diese Version zu widerlegen.
 In der Zwischenzeit war der KVM-Leiter William Walker am 16. Januar 1999 nach Racak gekommen, eskortiert von örtlichen UCK-Rebellen und begleitet von mehreren Kameraleuten. Er beschuldigte sofort die serbische Seite einer schrecklichen Greueltat und eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit.  Walkers war aus seiner Zeit als US-Botschafter in El Salvador an Massaker gewöhnt, aber diesmal zeigte er sich vor laufenden Kameras sichtlich empört.  Französische Journalisten fanden Walkers Verhalten sonderbar: anstatt zur nächsten Polizeistattion im nahegelegenen Stimlje zu gehen und eine Erklärung zu verlangen, verbrachte er eine halbe Stunde im Gespräch mit den anwesenden UCK-Leuten.[4]  Zur Zeit des Geschehens hatte Walker sein Ziel -- wie es einige seiner europäischen Kollegen sahen -- weitgehend erreicht, die UCK, die zu Beginn vor allem mit bundesdeutschen Geheimdiensten kollaborierte, für die USA zu gewinnen.[5]  Indem die NATO das Ergebnis einer vorher angekündigten polizeilichen Aktion gegen eine UCK-Basis als ein willkürliches Massaker albanischer Zivilisten darstellte, konstruierte sie einen Beweis für die "humanitäre Katastrophe", die eine Bombardierung Serbiens rechtfertigte.  Im KVM-Bericht heisst es: "Das Racak-Massaker provozierte einen internationalen Aufschrei und änderte die Perspektive der internationalen Gemeinschaft gegenüber der Bundesrepublik Jugoslawien und den serbischen Autoritäten in Belgrad."
 Genauer muss es allerdings heissen, dass die Art und Weise, in der Walker das Ergebnis einer Polizeiaktion in Racak den internationalen Medien präsentierte, den "internationalen Aufschrei provozierte" und dass dies die Perspektive der "internationalen Gemeinschaft" nicht "änderte" sondern bestätigte: die Westmächte hatten Sanktionen schon verhängt als Belgrad mit seine Aktionen gegen die UCK begann (März 1998), und die USA hatten seit Monaten mit Luftschlägen gedroht. Unter der Führung Madeleine Albrights war die "internationale Gemeinschaft" ausserdem auf der Suche nach angemessenen Massakern gewesen, um ihre bestrafende Einstellung gegenüber der Milosevic-Regierung zu rechtfertigen.  Laut KVM-Bericht "wurden die Tötungen [in Racak] als Wendepunkt gesehen, denn danach erkannte die internationale Gemeinschaft, dass Menschenrechtsverletzungen den Kern des Konflikts ausmachten."
 Das ist der Schlüssel zum Verständnis "humanitärer Interventionen".  Sobald ein Konflikt offiziell als "Menschenrechtsproblem" anerkannt ist, ist es tabu (eine "Beleidigung der Opfer"), über politische Probleme und Lösungen nachzudenken.  Empörung ist die einzig angemessene Einstellung, und die einzigen Handlungsempfehlungen, die erlaubt sind, sind diejenigen, die eine Bestrafung der Täter beinhalten.  Die Fixierung auf das Thema der Menschenrechte verstockte den Verstand und verbaute viele Optionen. Man konnte nicht mehr zugeben, dass eine gewaltsame albanische Sezessionsbewegung, deren Wurzeln Jahrzehnte vor dem Machtantritts von Milosevic liegen, den "Kern des Konflikts" darstellte, und dass es nicht die serbische Regierung, sondern die nationalistischen Vertreter der Albaner waren, die sich den Verhandlungen verweigert hatten.
 Aber selbst die Fakten, die der inadäquate KVM-Bericht feststellt, deuten auf die Vorfälle in Racak keineswegs als auf einen willkürlichen Angriff auf unschuldige Zivilisten hin, die attackiert wurden, weil sie ethnische Albaner waren. Denn Racak, ein Dorf von ehemals 2000 Einwohnern, von denen nur noch 350 dort lebten, war zweifelsohne eine UCK-Bastion, als am 15. Januar 1999 ein Angriff der serbischen Polizei erfolgte. Die KVM wusste dies sehr wohl und berichtete daher, dass "die UCK dort anwesend war, mit einer Basis in der Nähe des Elektrizitätswerks."  Es wurde angenommen, dass Racak eine Basis war für UCK-Einheiten, die Hinterhalte legten.  Es liegt strategisch günstig, 500 Meter südlich der Ortschaft Stimlje, in der die Hauptverbindungsstrasse zwischen Pristina und Prizren, den zwei grössten Städten im Kosovo, auf die Strasse nach Urosevac, die weiterführt zur mazedonischen Hauptstadt Skoplje, trifft.  Die KVM wusste ebenfalls, dass die UCK für eine Reihe von Hinterhalten, Entführungen und Ermordungen  in der Nähe von Racak verantwortlich war.  "Mehrere Kosovo-Serben wurden im Bezirk von Stimlje gekidnappt, die meisten von ihnen im Sommer 1998", heisst es im KVM-Bericht (S. 353).  Ausserdem entführte die örtliche UCK Kosovo-Albaner, in der offenkundigen Absicht, die Vormachtstellung der Rebellen innerhalb der albanischen Gemeinschaft zu festigen.  Einen Monat vor der Polizeiaktion in Racak, am 12. Dezember 1998, "verhaftete" die UCK neun Albaner wegen diverser Vergehen: "Prostitution", "gute Beziehungen zu Serben" und "Bespitzelung".  Die UCK liess sie aber nicht frei, sondern teilte der KVM mit, dass die gekidnappten Zivilisten "auf ihre Verhandlung warteten", und sie erlaubte den Familien, ihren Angehörigen Geschenkpakete zu schicken.  Daraufhin wurden zuerst sechs und dann zwei weitere Personen entführt, so dass die Zahl der Vermissten auf 17 stieg.  (Dieses Verhalten war normal.  Die KVM berichtet, dass die UCK sogar das Begräbnis der Toten von Racak, an dem William Walker und eine Anzahl von Medienvertretern sowie mehrere tausend Albaner teilnahmen, dazu nutzte, um neun Kosovo-Albaner zu kindnappen wegen angeblicher Vergehen wie "hat einen Bruder, der bei der Polizei arbeitet; wird des Waffenbesitzes verdächtigt; trinkt mit Serben; hat serbische Freunde; ist mit einem serbischen Polizisten befreundet.")
 Am 8. Januar 1999 schliesslich wurden drei Polizisten in ihren Fahrzeugen in einen Hinterhalt gelockt und getötet.  Ein Polizist wurde verletzt, ebenso wie drei Kosovo-Albaner in einem vorbeifahrenden Taxi.  Die KVM berichtet: "Der Hinterhalt war gut vorbereitet: von einer getarnten Gefechtsstellung für bis zu 15 Personen, die mehrere Tage besetzt wurde, wurde der Polizei-Konvoi mit kleineren Waffen und schweren Maschinengewehren sowie mit Raketenwerfern angegriffen." (S. 354).  Am 10. Januar kam ein weiterer Polizist südlich von Stimlje in einem Hinterhalt ums Leben.  Danach begann die serbische Polizei mit der Vorbereitung der Operation gegen die UCK-Basis in Racak.  Das Dorf war umgeben von Gräben, da die UCK die Dörfer, die sie besetzte, üblicherweise in Befestigungen verwandelte.  Angesichts der bisher bekannten Tatsachen ist es wohl möglich, dass am Tag der serbischen Polizeiaktion in Racak, mehrere Kämpfer in einem dieser Gräben Zuflucht suchten, nicht entweichen konnten und dann von der überlegenen Polizeieinheit, die die Stellungen umzingelt hatte, umgebracht wurden.  Dies kann man ein "Massaker" nennen -- in dem Sinn, dass viele Gefechte ein "Massaker" der Verliererseite darstellen, weil es ein normales Kriegsziel ist, gegnerische Kämpfer zu besiegen und auszuschalten.
 Im Fall von Racak lautet die entscheidende Frage jedoch: handelte es sich um ein kaltblütiges Massaker von Zivilisten, die allein aufgrund ihrer Ethnizität umgebracht wurden, als Teil einer Kampagne "ethnischer Säuberungen"?  Denn dies ist schliesslich die Interpretation, die benutzt wurde, um die NATO-Bombardierungen zu rechtfertigen.  Es ist bemerkenswert, dass der KVM-Bericht zwar oft auf den entscheidenden Vorfall, der die Einstellung der "internationalen Gemeinschaft" bestimmte, hinweist, dass er aber ebenfalls zugibt, dass die Ereignisse selbst unklar sind.  Die serbische Seite behauptete standhaft, dass die Toten von Racak UCK-Kämpfer waren und dass die forensischen Berichte, die zusammen mit belorussischen Medizinern durchgeführt wurden, dies bestätigten.  Der Bericht der finnischen Experten, der vielleicht die strittigen Fragen hätte klären können, ist bisher nicht veröffentlicht worden.  Auch die OSZE-KVM erhielt keine Kopie des Berichts.  Der KVM-Bericht fasst daher zusammen: "Zur Zeit ist es für eine abschliessende und definitive Darstellung der Ereignisse in Racak am 15. Januar 1999 noch zu früh."  -- Das ist der Hauptvorfall, der die NATO-Bombardierungen auslöste!

8.  DIE OSZE KEHRT AN DEN SCHAUPLATZ DES GESCHEHENS ZURÜCK
 Teil II des OSZE-Berichts "As Seen, As Told" unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht vom ersten Teil des Berichts.  Der erste markante Unterschied besteht darin, dass er von einer neuen Misssion, der "OSZE-Misssion im Kosovo", zusammengestellt wurde, nachdem Walkers KVM am 9. Juni 1999 aufgelöst worden war.  Die OMIK wurde am 1. Juli 1999 etabliert, unter der Leitung des niederländischen Diplomaten Daan Everts.  Der zweite wichtige Unterschied besteht darin, dass sämtliche Berichte über die Menschenrechtssituation im Kosovo von Bobachtern vor Ort stammen und nicht von Interviews mit Flüchtlingen, die in der Abischt geführt wurden, belastendes Material gegen Belgrad zur Verwendung beim ICTY zu liefern.  Das offizielle Ziel der OMIK ist es, die Bestrebungen der United Nations Mission im Kosovo (UNMIK) zu unterstützen, d.h. "die Entwicklung einer zivilen Gesellschaft positiv zu beeinflussen" und "die Rechtsstaatlichkeit zu etablieren."
 Der OMIK-Bericht, dem ein Vorwort des UNMIK-Leiters Bernard Kouchner vorausgeht, verdeutlicht, dass dies eine entmutigende Aufgabe ist.  Kouchner erkennt "ernsthafte Anzeichen" der Beteiligung der UCK an Menschenrechtsverletzungen und stellt fest: "Wer auch immer dazu gehört, diese bewaffneten Gruppen gehen offenbar in organisierter Weise vor und haben eine bestimmte Hierarchie und Befehls- und Kontrollstruktur."  Darüberhinaus ist "eine der alarmierendsten Tendenzen, die im OSZE-Bericht dokumentiert werden, die zunehmende Teilnahme von Jugendlichen an Menschenrechtsverletzungen.  Wir lesen von einem Fall nach dem anderen, in dem junge Leute, manchmal nur 10-12 Jahre alt, vor allem wehrlose ältere Leute belästigen, schlagen und bedrohen -- nur aufgrund deren Ethnizität."  Mit anderen Worten: Gruppen junger Albaner greifen ältere Serben an.  Grausamkeiten dieser Art werden normalerweise einem Verlangen nach "Rache" zugeschrieben, das vom Executive Summary als "nur menschlich" wenn auch "nicht akzeptabel" beschrieben wird.  Allerdings stellt das "Executive Summary" ebenfalls fest: "Ein beunruhigendes Phänomen, das der Bericht zutage fördert, ist die vorher nicht gekannte Intoleranz innerhalb der kosovo-albanischen Gemeinschaft.  Die Rechte der Kosovo-Albaner auf freie Versammlung, Meinungsäusserung und Religionsausübung werden von anderen Kosovo-Albanern in Frage gestellt."  Diese Bemerkung erscheint ein wenig naiv, wenn man bedenkt, wie gespalten die dörfliche albanische Gesellschaft aufgrund von Blutfehden zwischen Klans traditionellerweise gewesen ist.  Wie dem auch sei, das Bild, das sich aus den Fakten des OMIK-Berichts ergibt, weist nicht auf "Rache" oder auf eine "umgekehrte ethnischen Säuberung" (Albaner verfolgen Serben, anstelle des umgekehrten Falles) hin.  Vielmehr bedeutet es die Fortsetzung des Kofliktes, der schon vor den NATO-Bombardierungen begonnen hatte, und in dem Gewaltverbrechen nicht durch "Rache" motiviert wurden, sondern durch ein genau definiertes politisches Ziel: die Machtgewinnung der UCK.

9.  ETHNISCHE GEWALT IM US-AMERIKANISCHEN SEKTOR
 Der US-amerikanische Besatzungssektor im Südosten des Kosovo wurde vielleicht aufgrund von zwei offensichtlichen Vorteilen ausgewählt: ein geringes Ausmass von Gewalt vor und während der NATO-Bombardierungen, sowie die Kontrolle über den strategischen Kacanik-Pass, der zur mazedonischen Hauptstadt Skoplje führt und an der Strecke zum Ägäis-Hafen Thessaloniki liegt.  Die USA beschlagnahmten sofort, und ohne Erlaubnis, ein grosses Areal in der Gegend von Gnjilane und errichteten dort den groessten Armeestützpunkt auf dem Balkan, "Camp Bondsteel".  Da es in Gnjilane vor Beginn der NATO-Bombardierungen vor allem kosovo-serbische Gemeinschaften gab und keine starke UCK-Präsenz, war die Gegend während des Konflikts zwischen serbischer Polizei und UCK relativ ruhig.  "Seit dem Ende des Konflikts hat sich die Situation jedoch in bestürzender Weise verändert", berichtet die OMIK.  "Das Absinken in die Gewalt kam schnell und war weitverbreitet."  Die Serben flohen.  Auch "die Roma-Bevölkerung verliess die Gegend en masse.  In den Menschenrechtsberichten von Juni, Juli und August dominierten Berichte über Ermordungen, brennende Häuser, vermisste Pesonen und Entführungen" (S. 23).  Als die OSZE-Beobachter am 20. Juni zurückkehrten, war nur ein einziges Haus in der Ortschaft zerstört worden.  Ende Oktober war die Zahl auf 280 angestiegen.  "In scharfem Gegensatz zur Zeit vor dem Konflikt gab es eine zahlreiche und deutlich sichtbare UCK-Präsenz" in der Gegend.  Die UCK nahm mehrere öffentliche Gebäude ein und errichtete ihre eigene "selbst-ernannte Verwaltung", die weder von der KFOR noch von der UNMIK neutralisiert werden konnte.  Die Gewalt wurde alltäglich, und "obwohl sie sich in erster Linie gegen die Minderheiten richtete, waren auch viele Kosovo-Albaner verängstigt und riefen nach verstärktem Schutz durch die KFOR" (S. 26).  "Eine Zielgruppe der Gewalt scheinen Mitglieder der DLK zu sein", beobachtet der Bericht.  Die Demokratische Liga Kosovo (DLK) ist die Partei Ibrahim Rugovas, und sie wurde von der "internationalen Gemeinschaft" allgemein als legitime Vertretung der Albaner im Kosovo anerkannt, bis die USA Mitte 1998 mit der Unterstützung der UCK begann.  Ihre momentane Situation ist in einer Hinsicht sogar noch schlimmer als die der Minderheiten, da sie von Mitgliedern der eigenen Gemeinschaft terrorisiert wird und es nicht wagt, bei KFOR oder UNMIK Protest einzulegen: "Die OSZE erhielt Informationen, nach denen DLK-Mitglieder mitgeteilt wurde, dass sie ihre politischen Aktivitäten im Gebiet von Gnjilane einstellen sollen, aber es war nicht möglich, die DLK-Mitglieder dazu zu bewegen, eine offizielle Beschwerde vorzulegen.  KFOR berichtete im September, dass kosovo-albanische Ladenbesitzer, die ihre Waren weiterhin an Kosovo-Serben verkauften, bedroht wurden oder mit einer 'Strafe' von 100 DM für jeden Verkauf an einen Kosovo-Serben belegt wurden."  Die UCK begann ausserdem, "Steuern" zu verlangen, zusätzlich zu ihrem Werben um "Spenden" (S. 38).
 Abgesehen von den Menschenrechtsverletzungen hat die von der UCK errichtete Verwaltung verheerende Folgen für das wirtschaftliche Leben und den öffentlichen Dienst gehabt, berichtet die OMIK.  "Ende Juni und Anfang Juli 1999 ernannten die selbst-ernannten Autoritäten die 'Direktoren' von Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen.  Unter den Arbeitern herrscht eine grosse Unzufriedenheit über diese Ernennungen.  Auch wenn fast alle interviewten Personen darin übereinstimmen, dass die Betriebsleitungen inkompetent sind, haben dieselben Personen Angst, genauere Angaben zu machen" (S. 39).  Unternehmen werden von ehemaligen Lehrern ohne technische Ausbildung geleitet.  Aus dem örtlichen Krankenhaus wurden serbische Patienten und Doktoren hinausgeworfen, und selbst Kosovo-Albaner beschwerten sich, dass die Anstellung von politischen Kriterien und von Vetternwirtschaft abhängt.  Das Beispiel des Wasserwerks illustriert die Folgen der UCK-Verwaltung: "Bis Ende August 1999 stellte das Wasserwerk das letzte Beispiel einer serbisch-albanischen Kooperation dar.  Am 24. August wurde ein Bus, der fünf Kosovo-Albaner und zwei Kosovo-Serben zur Arbeit brachte, von drei unbekannten bewaffneten Personen in einem grossen schwarzen Auto gestoppt.  Dier Arbeiter wurden nach Papieren gefragt.  Als sie diese vorlegten, wurden die zwei Kosovo-Serben entführt.  Sie gelten als vermisst" (S. 40).  Lediglich drei Kosovo-Serben arbeiten noch im Wasserwerk.  Sie sind die einzigen Kosovo-Serben im gesamten Gebiet von Gnjilane, die noch beschäftigt sind, und sie "leben in ständiger Furcht um ihre Sicherheit.  Auch ihre kosovo-albanischen Kollegen leben in Furcht -- vor Vergeltung seitens anderer Kosovo-Albaner."  Der entstandene Mangel an qualifizierten Fachkräften führte dazu, dass Ende Oktober 1999 nur noch zwei von fünf Filtern funktionierten und dass die Wassermenge halbiert wurde.

10.  SCHLUSSFOLGERUNGEN
 Wer den OMIK-Bericht irgendwo aufschlägt stösst auf Einträge wie diese: -- "Am 1. August wurden ein älteres kosovo-serbisches Paar tot in ihrem Haus in Prizren aufgefunden.  Das Kopf des 95-jährigen Mannes war eingeschlagen, und seine 78-jährige Frau hatte zehn Stichwunden." -- "Am 6. Oktober wurde die Leiche eines 50-jährigen Roma gefunden.  Er war mit einem Kopfschuss ermordet worden.  Am 5. Oktober war er angeblich von sieben schwarzgekleideten Männern aus seiner Wohnung in Prizren entführt worden." -- Am 15. September wurde ein 96-jähriger Kosovo-Serbe tot n seiner Wohnung im Dorf Zivanjane, im Bezirk von Prizren, aufgefunden.  Seine Hände waren auf dem Rücken zusammengebunden, und er war geknebelt worden." -- Am 17. Oktober wurden ein 60-jähriger Mann und seine Frau, beide slawische Muslims, in ihrer Wohnung im Dorf Kievo, im Bezirk von Orahovac, erschossen.  Ihre 22-jährige Tochter entkam durch ein Fenster." -- Und so weiter und so fort.  Dies sind nicht Geschichten, die aus der Entfernung berichtet und zur Verwendung beim ICTY kompiliert wurden, sondern es sind Fakten, die vor Ort zusammengetragen wurden.  Aber es gibt keine Verhaftungen, keine Verhandlungen, keine Verurteilungen.  Unter Führung der Clinton-Regierung hat die NATO die einzige bestehende Ordnung im Kosovo ausgelöscht.  Seitdem floriert das Verbrechen: nicht nur Ermordungen, sondern auch Erpressung, Raub, Drogen- und Frauenhandel.  So sieht die Wirklichkeit im bewaffneten Vorposten der "Neuen Weltordnung" aus.
 Die Konzentration auf Gewaltakte von Serben oder Albanern birgt jedoch nicht die ganze Wahrheit über den Kosovo.  Sie kann weder die Ursachen des Desasters erklären noch Hoffnung für die Zukunft bieten.  Die simple Aufzählung von blutigen Verbrechen bestärkt vielleicht die westliche Meinung von den Menschen auf dem Balkan als unbedeutenden Subjekten, die vom "zivilisierten Westen" Besatzung und Belehrung verlangen.  So gut die Vorsätze der neuen Missionare der "internationalen Gemeinschaft" aber auch sein mögen, sie werden mehr Schaden als Nutzen bringen, solange die kriminelle Verantwortlichkeit der NATO, insbesondere der USA, nicht anerkannt wird -- die Verantwortlichkeit für die Entscheidung, den Fall des Kosovo zur Demonstration militärischer Stärke zu benutzen und alle Bemühungen um eine friedliche Lösung des Problems nicht nur zu vernachlässigen, sondern zu unterminieren.  Durch das Bündnis mit der UCK hat die NATO beide Seiten bewusst zu massiver Gewalt verleitet und dadurch die Flamme ethnischen Hasses zu einem noch nicht dagewesenen Feuer geschürt.  Durch die Bevorzugung des Krieges anstelle von ernsthaften und geduldigen Verhandlungen, haben die USA und ihre untergebene "internationale Gemeinschaft" das schlimmste Verbrechen gegen alle Bewohner und Bevölkerungsgruppen des Kosovo begangen: das Verbrechen gegen den Frieden.

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Anmerkungen:
[1] Noam Chomsky, "In Retrospect", unveröffentlichtes Manuskript.
[2] Daniel Pearl und Robert Block, "Despite Tales, the War in Kosovo Was Savage, but Wasn't Genocide", The Wall Street Journal, 31. Dezember 1999.
[3] Richard Cohen, "The Winner in the Balkans Is the KLA", International Herald Tribune/ Washington Post, 18. Juni 1999.
[4] Interview mit Renaud Giraud, Korrespondent für Le Figaro, 25 Januar 2000. 
[5] Laut Aussage von Erich Schmidt-Eenboom war dies der USA unter anderem deshalb gelungen, weil die bundesdeutsche Regierung als Teil eines Friedensabkommens die Entwaffnung der UCK verlangte.

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Der Originaltext ist im Internet verfügbar unter http://www.tenc.net/articles/Johnstone/osce.htm