Der Rhythmus zählt. Wenn dieser ab
frühester Jugend das Musikerlebnis prägt, sind Erscheinungen
wie Techno oder inhaltslose MUZAK in Aufzügen und insbesondere Einkaufszentren
kein Wunder mehr.
Zur Profitmaximierung bewußt eingesetzt,
wird mit Musik systematisch verblödet, und die Fortschritte dabei
sind ablesbar. Früher war Musik ein seltenes, selbst hergestelltes
oder gegen Geld auf Jahrmärkten etc. teuer erkauftes Vergnügen.
Heute wird man davon, ebenso wie mit Informationen, zugeschüttet,
und der Effekt ist der Gleiche: ohne Raster/Wissen/Bewußtheit verblödest
Du. Nicht nur Dein Intellekt wird durch die angebliche Informationsflut,
sondern auch Dein seelisches Gleichgewicht wird durch die Musikschwemme
zugenagelt.
Zur Verdeutlichung ein anderes Land:
Brasilien, bekanntlich Land des Fußballs
und des Sambas. Der Körperkult ist auf der Spitze. Wie macht man alle
Brasilianer/Innen traurig?
Man verbiete am Tag der Parlaments-/Präsidentschaftswahlen
und am Tag davor
a) den Alkoholausschank und
b) das öffentliche Musikspielen.
Die Menschen sind wie gelähmt. Sonst
wird Tag und Nacht an allen Orten so laut wie möglich gedudelt, die
Radiolautsprecher bis über die Schmerzgrenze hochgefahren - und jetzt
diese unerträgliche Stille!
Wer weiß, wie Schlafentzug auf Klostermönche
(stündliches Gebet), Folteropfer, Soldaten usw. wirkt, weiß
auch, welche Macht er durch die Bedröhnung des Volkes hat. Wenn dann
noch die Rhythmen und Texte genutzt werden, erhält die Musik (besser:
MUZAK) eine gesellschaftliche Relevanz, die in Brasilien wahlentscheidend
wirkt, die aber bei uns in Deutschland nicht untersucht,
diskutiert und bewußtgemacht wird. Beim Fernsehen werden
jetzt nach -zig Jahren des Leugnens doch gesellschaftliche Auswirkungen
eingestanden - aber noch nicht bei der Musik.
Ja wird denn zur Steigerung des Kaufrausches
die Musik etwa nicht bewußt eingesetzt?
Ohrwümer säuseln sich süßlich in unsere Stimmung hinein
und beeinflussen sie. Musiker/theoretiker des 20.Jahrhunderts - von Eisler
bis Casals - würden sich im Grab herumdrehen, würden sie so ihre
schlimmsten Befürchtungen bestätigt sehen.
Und was tut die deutsche Öffentlichkeit?
Sie pflegt mit Hunderten von Millionen
eine untergehende Restkultur in den Theatern, läßt dabei aber
die Schulmusik verkommen. Die Musical"kultur" wird zur "Hohen Kunst" hochstilisiert
- und ist dabei nichts als ein Eventgeschäft, während kaum ein
Kind mehr Noten lesen kann. Mit dem Kauf ausgerechnet einer Blockflöte
(kein Wunder, daß Onkel/Tante sich bald nichts mehr vorspielen lassen
wollen- mit Auswirkungen auf die Musikliebe des Kindes) wird das Gewissen
beruhigt: das Kind erhält doch eine Musikerziehung!? Was am
selben Tag im Radio läuft, was die Disco bietet, wird weder zur Kenntnis
genommen noch beeinflußt oder zumindest ausgeschaltet.
Halt, hören wir jetzt Einige
sagen:
wir sollen uns gegen diese Massenphänomene
stellen?
Wie soll denn das gehen?
Außerdem sehen Sie das alles doch
viel zu krass!
Dazu einige Anmerkungen:
- Frage Deinen Ohrenarzt, wie es bei Deinem
Kind aussieht+ob er statistische Erkenntnisse hat
- Frage die Pharmaindustrie, wieweit heute
schon Schüler/Innen mittels Psychopharmaka ruhiggestellt werden.
- Frage Dich selbst, wieweit Du Dir Zeit
zur Entwicklung eigener Gedanken klaust, indem Du auf dem Weg zur
Arbeit, im Auto, auf der Arbeit selbst undundund das Radio laufen hast.
An jedem Bahnhofskiosk gibt es die
Zeitschrift Horizont zu kaufen, die Bildzeitung der deutschen Werbewirtschaft.
Da findest Du regelmäßig die neusten Einschaltquoten, Hörgewohnheiten
usw. der Deutschen aufgeschlüsselt für die weitere Bearbeitung.
Frage Dich nun selbst, wieweit das alles
"natürlich" und "unabänderlich" ist.
Stell` Dir doch nur einfach einmal
vor, es würde in denselben Mengen, in denen man heute bedudelt wird,
Bach und Beethoven, anspruchsvoller Jazz, Gitarrensoli, Opernarien
etc. in den Kaufhäusern, Aufzügen, Radioprogrammen gespielt.
Man müßte in Konzerthäuser
mit DM 50,- Eintritt gehen, um MUZAK von Moik bis Techno zu hören.
Das gäbe eine schöne Revolution! Heissa: Depressionen wie
in Brasilien, Aufstände, Selbstmorde - ein lustiges Ringelreihen!
Es würde deutlich werden, wie sehr
die Musik heute zur Droge geworden ist.
Frage Dich und Deine Freunde, was Ihr
an Musik im Allgemeinen mögt. Normalerweise, d.h. meistens, sind es
Rhythmus und Melodie. Damit sind Klassik und Jazz größtenteils
ausgeschaltet. Auch Weltmusik, Folk - halt alles, was neue Eindrücke
vermittelt, zum Mitdenken zwingt, Aufmerksamkeit erfordert. Schubidubidu
ist angesagt, wetten?
Nein, wir wissen kein Rezept (außer
Knöpfchendrücken und Oropax). Wer Griegs "Peer Gynt" und Natalie
Imbruglia schon mal mit einem Stampfebeat unterlegt gehört hat, weiß,
was wir meinen. Ein Hit wie "Where do you go?" wurde an einem ruhigen Sonntagmorgen
bei Produzent Frank Farian ausgedacht. Die gesamte Musikunterlegung der
Melodie kam später hinzu, die Interpreten kamen hinzu, die gesamte
Produktion: später.
Und das Wichtigste ist heute dabei: das
Video. Ohne Spitzenvideo läuft gar nichts. Produktionskosten: ab 1
Mio DM pro 3 Minuten-Clip. Ohne diese Ausgaben: keine Rotation bei Viva,
MTV usw., d.h. kein mehrmaliges Abspielen pro Tag. Hier werden "Gefühle"
am laufenden Band produziert - und sind Gold wert. Um Musik als Sprache
geht es dabei nur am Rande. In der Audiovision (Videos) liegt die Zukunft,
und die Sprache liegt im Gesamteindruck.
Schicke Kleidung, hübsche Menschen,
Stampfe - Rhythmus.
Schicke Uniformen, junge Kerls.
Marschmusik ...
Jeder kennt den Begriff der "angenehmen
Telefonstimme". Danach werden immerhin bestimmte Jobs vergeben. Das Kriterium
der Stimme gilt aber auch für andere Jobs, die nicht mit dem Verkauf
von Waren oder Serviceleistungen zusammenhängen. Beim "Verkaufen"
von Nachrichten wird nicht nur auf das Aussehen der Korrespondenten geachtet.
Die "richtige" politische Gesinnung vorausgesetzt sowie (natürlich)
gewisse handwerkliche Fähigkeiten - wird nun auch die Stimme zum Kriterium
im Job. Die Zeiten sind vorbei, die wir noch von alten Wochenschauaufnahmen
vor, im, aber auch nach dem 2. Weltkrieg kennen: schnarrende preußische
Befehlsstimmen mit rollendem "r". Politische Größen wie Hitler
oder Goebbels, aber auch Schumacher sind uns so im Ohr geblieben. Dieser
Sprechmodus des lauten Klirrens dürfte auch den schlechten Mikrofonen
und der mangelnden Saalbeschallung von damals geschuldet sein. Wir hören
derartige Sprecherstimmen heute nicht mehr. Sie würden sofort als
"Propaganda" erkannt und gewertet. Mikrofon- und Aufnahmetechnik erlauben
heute die schönste Modulation, dem Anlaß angemessen. Getragenes,
leises Säuseln des Korrespondenten bei der Übertragung z.B. eines
Gottesdienstes (man will diesen ja nicht stören ...) - aber auch Schreien,
während im Bild hinter dem Reporter die Jets starten. Unverwechselbare
Stimmen produzieren Stimmung zu den Bildern. Das knarrende Raunen eines
Friedhelm Brebeck sägt sich in unser Nervenkostüm und produziert
allein schon durch den Ton den Merker "WICHTIG"! Kommt nun noch die Sprechweise
hinzu, ergibt sich das Signal der "Oberwichtigkeit". Es kann sich um völlig
irrwitzige Betonung und Satzmelodie handeln, aber auch um die Nutzung der
Pause - ZWISCHEN den Wörtern. Man spreche einfach mal recht leise,
aber gepreßt und prononciert:
"Das - (Pause) - ist
- ein - tragischer - Moment. - Wir
- erleben - hier - an - der Grenze
- zu Mazedonien - das - ganze Elend
- der albanischen - Flüchtlingsmassen."
Ohne besondere Betonung einzelner Wörter.
Vielleicht noch ein kleines Schnaufen, Atemgeräusch in fast jeder
Pause. Die Gepreßtheit und die Pausen reichen. Zusätzlich zu
den Bildern wird mittels Rhythmus Stimmung erzeugt. Man vergleiche diese
zudem nur mal mit der Substanz der Information, die in den zwei Sätzen
steckt. In dieser Art wurde berichtet, so wird berichtet, und die Assoziation
zu Propaganda kommt nicht auf, denn Goebbels sprach ja objektiv ganz anders.
Also nichts gegen den Satz: ein Bild
sagt mehr als tausend Worte. Der stimmt, und über Bildberichterstattung
wurde schon viel geschrieben, auch und gerade im Zusammenhang mit Kriegen.
Schrift und Ton verblassen deshalb jedoch noch lang nicht ... |
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