© Andreas Hauß

Volkes Mund tut Wahrheit kund....

Nicht daß wir uns mißverstehen: hier macht sich niemand lustig über eine Unbeholfenheit des Normalbürgers, wenn dieser vor der Kamera oder dem Mikrophon steht.
Es geht nicht um druckreife Sätze, nicht um bis ins Letzte durchdachte Sinnsprüche, Haltungen usw.
Es geht nur darum, daß eine eigentlich gewitzte, in Frage des persönlichen Alltags durchaus kompetente Bevölkerung in ihrer Beschränkung und Beschränktheit dargestellt wird, wenn der TV-Reporter XY auf  Herrn und Frau Mustermann zujagt und irgendeine politische Frage oder Abstruses zu Tagesthemen fragt.
Politiker haben dann ihre Floskeln.
Otto Mustermann hat außer Stottern wenig.  Und dann kommt heraus, wieweit die Verblödungsstrategien schon gewirkt haben und - weiterverbreitet werden!

Was sagt denn unser Mustermann auf eine Frage nach seiner Bewertung der jüngsten Steuerreform? Was kann er denn überhaupt sagen?

Ja ähem. Ich denke mal.....   So ist es. Er denkt mal. Nicht immer. Auch nicht systematisch. Sondern MAL. Das ist es ja.

Was antwortet Frau Mustermann auf die ebenso sinnige Frage nach ihrer Meinung zur Geiselbefreiung im Lande soundso? Was kann sie überhaupt antworten, nachdem sie jahrzehntelang von den Medien desinformiert wurde und keinen blassen Schimmer hat, wo soundso überhaupt liegt?
Da sag` ich mal, daß es doch schön ist, daß die wieder frei sind.

Ach.
NATÜRLICH kommt Frau Mustermann mit etwas Allgemeinmenschlichem.
Und sie sagt MAL. Weil sie sonst niemand etwas fragt und sich nach ihrer Meinung richtet.

Diese Floskeln sag ich mal und denk ich mal sind REAKTIONEN, typische zudem, auf unsere Mediengesellschaft. Es schwingt sogar in der Abgabe einer Meinung die Verunsicherung mit. Verzagtheit und Demut vor dem Fernsehen sind hierin zu sehen.

Die Beiträge, in denen Otto Normalverbraucher antwortete:
Leck´mich doch am Arsch oder Warum wollt Ihr denn das wissen? Ist doch egal, was ich dazu meine... - diese Beiträge dürften wohl wegen Nichtsendefähigkeit geschnitten worden sein.

Dabei war "nur" die Meinung abgefragt worden.
Nicht Wissen. Es war kein Quiz um 100.000 Euro!
Das Fernsehpublikum wird sich so recht nicht mehr bewußt, was ihm tagtäglich  serviert wird. Keine harten Fakten, sondern Meinungen. Täglich, stündlich, minütlich. Die eigene Meinungslosigkeit und Unsicherheit rührt auch daher. Denn wie soll man eine fremde Meinung bewerten? Da ist nichts einzuordnen, nichts zu bewerten. Es sind doch nur Meinungen.

Die Fakten, die Wahrheit, die können ganz anders sein.
Gibt es sie überhaupt - die Wahrheit?

DAS ist dann schlußendlich das Strickmuster und die grundlegende Haltung, die erzeugt werden sollen und erfolgreich erzeugt werden:

Ja wer weiß denn schon, was da wirklich geschehen ist....
Die lügen doch alle wie gedruckt....
Wer kann das schon sagen....
Ob das wirklich so war?...
Die machen doch eh das was sie wollen...

Es soll Menschen geben, die eine zunehmende Politikverdrossenheit im gemeinen Volk feststellen und bedauern. Sie machen  das Phänomen normalerweise an „den Parteien“ fest. Die sollten sich „noch mehr“ dem Volk  „zuwenden“. Die reale Entmündigung, die Entmachtung und ihre mediale Widerspiegelung bleiben bei diesen Analysten außen vor.
Die Peinlichkeit, mit der tagtäglich Politiker oder auch Normalmenschen im TV gezeigt werden mit ihren schwammigen Antworten auf
Wie beurteilen Sie....
Wie stellt sich nun die Lage dar....
Was meinen Sie zu....
Was halten Sie von....
diese Peinlichkeit wird nicht angeprangert. Es wird  bei diesen Fragen durch die Journaille überhaupt nicht mehr nach den Fakten gefragt. Um die geht es nicht. Es geht einzig und allein um die DARSTELLUNG der Fakten. Bei Wahlsondersendungen fällt es doch jedem auf.
Statt
Was sind Ihre Wahlaussagen zu diesem oder jenem?
wird nur noch gefragt:
Wie bewerten Sie die Chancen Ihrer Partei, wenn...

Ein  Triumph der Form über den Inhalt in FORM eines 100%igen KOs.

Nehmen wir eine Katastrophe bzw. das, was uns hier im satten Deutschland als solche dargestellt wird.
Wer hört und sieht in unseren Medien schon eine Befragung von Augenzeugen, Sachverständigen oder Verantwortlichen in folgender Weise:
Was war? was ist? was wissen Sie? was können/werden Sie wissen (in z.B. einer Stunde? was ist geplant? was können wir machen? welche Optionen zu handeln gibt es? was wird auf immer ungewiß bleiben?

Diese Fragen NICHT zu stellen bedeutet, sie auch nicht beantwortet zu bekommen. Und Otto Normalverbraucher wird so eingeübt in die Lethargie des „man kann ja nichts machen“.
Es ist ein Machtwechsel eingetreten in Deutschland von der Generation derer, die predigten:
Laßt uns nur machen, wir wissen schon was gut für Euch ist...
zu einer Folgegeneration, die nach dem Motto handelt:
legal - illegal - scheißegal - meine Meinung zählt, und die ändert sich halt minütlich

Die Unverbindlichkeit, Faktenlosigkeit, Planlosigkeit, Perspektivlosigkeit zieht sich von unten nach oben durch die Gesellschaft - zusammen mit der Gesetzlosigkeit und Beliebigkeit sogar in Fragen der Ethik.