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Medien
4. August 2000
SWR muss Abmahnung und Moderationsverbot zurücknehmen

Auf den „Angriffskrieg“ der unzulässige Maulkorb

Der SWR muss eine Abmahnung gegen einen Baden-Badener Hörfunkredakteur zurücknehmen. Auch ein unbefristetes Moderationsverbot, das der Sender im vergangenen Jahr gegen den Mitarbeiter verhängt hatte, hat keinen Bestand. Dies hat das Landesarbeitsgericht in Mannheim entschieden.
In dem Konflikt zwischen dem Stuttgarter Sender und seinem Mitarbeiter ging es um zwei Formulierungen im Verlauf der Berichterstattung über den Krieg in Ex-Jugoslawien. Dabei hatte der Redakteur im März 1999, wenige Tage vor den ersten Nato-Angriffen, am Ende eines Gesprächs einen Reporter in Pristina gefragt: „Was erfahren sie über die Urheber der Bombenangriffe der letzten Tage? Da muss man ja nach dem angeblichen Massaker von Racak, das nach internationalen Untersuchungen keines gewesen ist, etwas vorsichtig sein, weil damit Propaganda und Politik gemacht wird“.

Obwohl der Reporter die Aussage zugleich mit der Antwort relativierte, UNO-Beobachter vor Ort gingen weiterhin von einem Massaker aus, reagierte der Sender scharf: Die Formulierung, hielt der zuständige Abteilungsleiter dem Redakteur per Abmahnung vor, ergreife „in unakzeptabler Weise Partei“, er lehne sich an serbische Propaganda an und verhöhne die Opfer. Denn eine Untersuchung, die belege, dass kein Massaker stattgefunden habe, gebe es nicht. Eine weitere, „derart unverantwortli-che, die Fakten entstellende Moderation hat ein sofortiges Moderationsverbot zur Folge“, hieß es abschließend.

Dies folgte prompt, nachdem der Redakteur wenig später einen Bericht mit den Worten angekündigt hatte: „Auch die 7. Woche des Nato-Angriffskrieges begann mit schweren Luftschlägen.“ Wegen des Gebrauchs des Wortes „Angriffskrieg“ wurde er „bis auf weiteres“ von allen Moderatorendiensten entbunden. Diese unbefristete Bestrafung hatte bereits das Arbeitsgericht in der ersten Instanz für unzulässig erklärt. Wegen eines „gewissen Zungenschlags“, den das Wort „Angriffskrieg“ im politischen Meinungskampf habe, meinte nun das Landesarbeitsgericht, wäre allenfalls ein kurzfristiger Entzug des Mikrofons akzeptabel gewesen. Tatsächlich habe der abgestrafte Moderator aber bei vordergründiger Betrachtung die reine Wahrheit gesagt.

„Völlig aus dem Ruder gelaufen“ sei dem SWR die Abmahnung. Die wäre, wegen des sachlich falschen Hinweises auf nicht vorhandene Untersuchungen zwar möglich gewesen, meinte das Gericht. Mit der polemischen, fast schon ehrenrührigen Begründung sei der Sender aber „weit übers Ziel hinaus ge-schossen“. Sie müsse daher aus den Akten entfernt werden.

Johanna Eberhardt

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